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Politik: Handel durch Annäherung Von Moritz Schuller

Bei seinem Amtsantritt 1998 sagte Joschka Fischer: „Es gibt keine grüne Außenpolitik, nur eine deutsche.“ Vielleicht war das schon die Absage an zu hohe moralische Erwartungen.

Bei seinem Amtsantritt 1998 sagte Joschka Fischer: „Es gibt keine grüne Außenpolitik, nur eine deutsche.“ Vielleicht war das schon die Absage an zu hohe moralische Erwartungen. Die Integration der Grünen in die Zwänge des herrschenden Politbetriebs hat jedenfalls nirgendwo so gut funktioniert wie in der Außenpolitik. Sie ist inzwischen näher an Franz Josef Strauß als an Claudia Roth.

Ausdrücklich moralisch präsentierte sich diese Politik in den vergangenen sechs Jahren nur einmal, als Jörg Haiders FPÖ in Österreich an die Regierung kam.Deutschland forderte mit Erfolg EUSanktionen gegen das Nachbarland. Heute kämpft Fischer nur halbherzig – und erfolglos – bei den EU-Außenministern für Sanktionen gegen Sudan, ein Land immerhin, das den Genozid in Darfur aktiv vorantreibt. Und in Sachen russischer Tschetschenienpolitik rät Fischer, „auf einer Vertrauensbasis voranzukommen, anstatt auf demonstrative Akte zu setzen“. Fischer ist dabei noch immer der beliebteste deutsche Politiker.

Diese Realpolitik hat mit dem Treffen vergangene Woche zwischen dem Ex-Terroristen Muammar al Gaddafi und Kanzler Gerhard Schröder einen neuen Höhepunkt erlebt. Man kann es begrüßen, dass so pragmatisch und illusionslos Politik betrieben wird. Dann muss man aber deutlich sagen, worum es bei der Reise auch ging: um die Rendite für die deutsche Haltung beim Irakkrieg. Vollkommen offen wurde davon gesprochen, dass der Vorsitzende der Deutschland AG hier die Ernte für seine amerikakritische Politik im Vorlauf zum Irakkrieg einfährt.

Mit neuen strategischen Partnern – von Freunden sollte man nicht gleich reden – Geschäfte zu machen, ist gut für dieses Land. Doch nicht jeder, mit dem man Geschäfte machen kann, ist auch ein strategischer Partner. Waffen nach China zu verkaufen ist ein Riesengeschäft; politische – geschweige denn moralische – Bedenken dabei in den Wind zu schlagen, wäre eine Riesendummheit. Vor gewissen Deals, so lukrativ sie auch sein mögen, sollte man auch als Realpolitiker zurückschrecken. Ähnliches gilt für das Werben um einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat: Dabei ist nicht jeder Unterstützer auch gleich ein guter Unterstützer.

Diese Außenpolitik, die das „aufgeklärte Eigeninteresse“ unseres Landes dokumentieren soll und als Ausdruck einer neuen deutschen Selbstgewissheit gefeiert wird, ist in Wahrheit etwas anderes, viel Kleineres. Außenpolitischer Einfluss ist Ausdruck wirtschaftlicher Stärke. Die Zeiten, in denen ein deutscher Kanzler sich außenpolitischen Spielraum erkaufen konnte, sind vorbei. Und je schlechter es diesem Land binnenwirtschaftlich geht, je mehr es vom Export abhängt, desto weniger hat es den Kunden zu kritisieren. Wer kein Zuckerbrot in der einen Hand hält, braucht mit der anderen auch keine Peitsche zu schwingen. Womit wollte man zum Beispiel Iran auch drohen, damit das Land sein Atomprogramm runterfährt, wenn man die Mullahs eigentlich bitten müsste, uns die teuren Opel aus Bochum abzukaufen?

Schröder betrieb in Libyen und Algerien, wie auch auf seiner Weltreise zuvor, „Handel durch Annäherung“. Ob Gaddafis die Menschenrechte verletzendes Regime sich auch nach innen wandelt oder nur nach außen, wurde erst gar nicht groß gefragt. Eine moralische Außenpolitik ist eine teure Außenpolitik. Die muss man sich nicht nur leisten wollen – man muss sie sich auch leisten können.

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