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Politik: Hans Eichel im Interview: "Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren"

Hans Eichel (59) ist seit gut zwei Jahren Bundesfinanzminister. In Partei und Regierung gilt er als "eiserner Hans", der streng und penibel über den Bundeshaushalt wacht.

Hans Eichel (59) ist seit gut zwei Jahren Bundesfinanzminister. In Partei und Regierung gilt er als "eiserner Hans", der streng und penibel über den Bundeshaushalt wacht. Über seinen eigenen übrigens auch: "Mit großen Beträgen bin ich nicht großzügig."

Herr Eichel, Sie waren im Restaurant und bekommen eine Rechnung über 86,20 Mark. Wie viel Trinkgeld geben Sie?

Da guck ich, was ich im Portemonnaie habe.

Wann waren Sie denn das letzte Mal großzügig?

Das kommt immer auf den Anlass an. Man kann mit kleinen Beträgen großzügig sein, mit großen bin ich nicht großzügig.

Und beim Staatshaushalt?

Da bin ich gar nicht großzügig. Das ist ja nicht mein eigenes Geld. Mit seinem eigenen Geld darf man gerne großzügig sein, aber nicht mit dem der Steuerzahler.

Man hat manchmal das Gefühl, dass Politiker das Geld als ihr eigenes betrachten.

Wenn jeder das als sein eigenes betrachten würde, würden sie wohl weniger ausgeben.

Wo kommt das Geld eigentlich her, das Sie im Haushalt für die Sonderwünsche Ihrer Kabinettskollegen oder für unvorhergesehene Ausgaben finden?

Der Haushalt ist nur eine Ausgabenermächtigung, keine Ausgabenverpflichtung. Mehr als drin steht, dürfen wir nicht ausgeben. Es sei denn, eine Ausgabe ist unabweisbar und unvorhergesehen wie bei den BSE-Kosten. Aber wenn jemand im Laufe des Jahres ankommt und mehr haben will, muss ich sagen, da hat er Pech gehabt. Jetzt habe ich gar keine Luft.

Da haben dann wohl einige Minister Glück gehabt, oder wieso bekommen die mehr als andere?

Außer bei den Verpflichtungen für Sozialleistungen oder den Zahlungen an internationale Organisationen haben wir Steigerungen nur dort, wo es politisch gewollt ist. Wie im Bildungshaushalt und bei der Familienförderung.

Im Verkehrshaushalt nicht?

Grundsätzlich gilt: Alles, was uns hilft, die Zukunft zu gestalten, wird finanziert. Aber wir sind auf dem mühseligen Weg, weg von den Schulden zu kommen und dafür Gestaltungsfreiheit zu erlangen. Das versuchen wir auch bei den Verkehrsinvestitionen, obwohl das noch ein sehr mühseliges Unterfangen ist.

Die Zukunft könnten Sie auch gestalten, indem Sie stärker investieren und die Konjunktur ankurbeln.

Ich glaube, dass der Staatshaushalt völlig ungeeignet ist, im guten wie im schlechten die Konjunktur zu steuern. Wir sind ein wichtiger Akteur am Markt, aber bei weitem nicht der einzige. Den Extremfall kann man sich in Japan ansehen: Dort wurde über viele Jahre versucht, mit ungezählten Konjunkturprogrammen Wirtschaftswachstum zu erzeugen, und sie haben sich nur eine gewaltige Staatsverschuldung aufgehalst. Beim Wirtschaftswachstum haben sie gar nichts erreicht.

Leidet Ihr eigener Konsolidierungskurs denn nicht, wenn die Arbeitslosigkeit steigt und die Wirtschaftsleistung zurückgeht?

Die Staatsaufgaben und Ausgaben sind ja nicht statisch. Aber den Modernisierungsprozess müssen wir allein deswegen machen, weil sich die Welt um uns herum verändert. Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren. Wir leben in einer alternden Gesellschaft, also haben wir in Zukunft weniger Erwerbstätige und mehr Rentner. Das ist eine erhebliche zusätzliche Aufgabe.

Die werden Sie mit Geld allein nicht lösen.

In einer alternden Gesellschaft müssen wir erst mal das tatsächliche Renteneintrittsalter an die gesetzliche Renteneintrittsgrenze heranbringen und nicht schon mit 58 oder 60 Jahren in Rente gehen. Das wissen auch die Gewerkschaften. Und wir müssen uns fragen, wie wir Kreativität und Wissen erhalten. Ich bin jetzt kurz vor 60 und fühle mich auch nicht als einer, der stehengeblieben ist. Das wird vielen so gehen. Warum soll man nicht als älterer Mensch Spaß daran haben, kreativ zu sein?

Bei den Zahlen über das wirtschaftliche Wachstum und die Auswirkungen auf den Haushalt wird ihre Kreativität schon bald gefordert sein. Die Prognosen sehen düster aus.

Das hat nichts mit Kreativität zu tun. Wir erstellen dreimal im Jahr eine eigene Prognose zum Steueraufkommen und der Wirtschaftsentwicklung. Jetzt haben wir den Haushalt ganz seriös und solide auf der Basis der Mai-Zahlen aufgestellt. Zum Abschluss der Haushaltsberatungen im November werden wir nochmal eine Steuerschätzung machen. Über einen Anpassungsbedarf heute zu spekulieren, das macht doch keinen Sinn.

Gehört der Bundeswehretat nicht zu den vorhersehbaren Haushaltsrisiken?

Da habe ich überhaupt keine Risiken. Die Bundeswehr-Privatisierungsgesellschaft GEBB ist eine Chance für den Etat. Es ist unglaublich, wie wenig so eine große Einrichtung wie die Bundeswehr bislang von wirtschaftlichem Denken geprägt war - nicht bei den Soldaten, aber in der politischen Leitung. Kollege Scharping hat da eine schwierige Umstrukturierungsaufgabe übernommen, und ich finde, das ist eine beispielhafte Modernisierung. Aber eines muss klar sein: Es gibt keine Schattenhaushalte.

Bei dem Stichwort müssen wir an Berlin denken. Wird die Stadt zu einem Risiko?

Berlin ist unstreitig in einer schwierigen Lage, aber eben doch kein Haushaltsnotlagen-Land wie Bremen oder das Saarland. Deswegen hat Berlin keine Ansprüche an den Bund oder die anderen Länder außerhalb des Länderfinanzausgleichs zu stellen. Berlin hat nicht einmal den Verschuldungsgrad wie der Bund, der immer noch der höchst verschuldete Haushalt ist. Ich kann auch nicht nach Brüssel gehen und sagen, gebt mir Geld. Ich kann nur konsolidieren.

Also kann der Berliner Finanzsenator von Ihnen lernen.

Ich gebe keine Ratschläge. Berlin hat ein Problem, mit dem es sich selbst beschäftigen muss: Die Personalausgaben, die weit über denen der anderen Stadtstaaten liegen. Ich beneide den Senator nicht um seine Aufgabe. Die Frage wird sein, ob ihn alle politischen Kräfte unterstützen. Er wird am Anfang jedenfalls keinen Beifall bekommen.

Kann Berlin auf den Länderfinanzausgleich hoffen?

Die Verhandlungen laufen und sind hoffentlich nächstes Wochenende abgeschlossen. Es ist schwierig, aber es kann gelöst werden. Berlin ist aber gut beraten, sich als ganz normales Land zu betrachten. Im Länderfinanzausgleich haben wir von vornherein zugesagt, die Situation der Stadtstaaten zu sichern. Berlin ist Hauptstadt, und natürlich engagieren wir uns dafür, wie bereits mit den 830 Millionen Mark für die Kultur und andere hauptstadtbedingte Aufgaben.

Der aktuelle Auslöser der Berlin Krise war die landeseigene Bankgesellschaft. Zeigt das nicht, dass öffentliche Banken ein zu großes Risiko sind?

Nein. Das deutsche System der Privat-, Genossenschafts- und Landesbanken hat sich bewährt. Das schließt nicht aus, dass man auch schwarze Schafe in Vorstandsetagen findet. Das Risiko bei den Landesbanken trägt aber der Steuerzahler.

Das ist bei allen öffentlichen Unternehmen so. Im Bund gehen wir ja mit großen Schritt voran und privatisieren. Aber das muss Berlin selbst entscheiden und wird sich das angesichts der Finanzlage auch gut überlegen.

Bis gestern waren Sie Vorsitzender der hessischen SPD. Wenn Sie die Mitglieder dort gefragt hätten, wie sollen die Berliner es mit der PDS halten: Welches Stimmungsbild hätten Sie da erhalten?

Die hätten gesagt: Das ist eine Berliner Angelegenheit. Das gilt sogar in der eigenen Partei.

Dann verraten Sie uns Ihre Meinung zur PDS?

Eine ganz zentrale Frage ist, ob die PDS ein klares, kritisches Verhältnis zur DDR-Vergangenheit findet. Dieser Kampf läuft zurzeit in der PDS. Je nachdem wie er ausgeht, wird die PDS in der Bundesrepublik Deutschland ankommen - dann ist die PDS eine ganz normale Partei. Oder sie kommt eben nicht an. Das entscheidet die PDS selber, und dann muss jeder natürlich sehr kritisch hinsehen. In der Frage der Sicherheits- und der Bündnispolitik ist sie zum Beispiel noch nicht im heutigen Deutschland mit seinen außenpolitischen Verpflichtungen angekommen.

Könnte eine Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS in dieser Stadt zu einem Zusammenwachsen Berlins führen?

Wichtiger als die parteipolitische Konstellation ist die Lösung der Probleme der Stadt. Eins ist klar: Die CDU betreibt mit ihrer Kampagne Spaltung und das ist schädlich für das Zusammenwachsen von Ost und West.

Von der Zukunft der Parteienlandschaft zurück zur Zukunft unserer Geldbeutel. Können wir in nächster Zeit mit weiteren Vergünstigungen rechnen?

Weitere Steuererleichertungen sind in der nächsten Zeit nicht möglich. Wir haben bis 2005, also über zwei Wahlperioden, die Steuerreform als Gesetz. Da muss man nicht mehr feilschen: Wir haben die Erleichterung bereits.

Ein Vorziehen der Steuerreform schließen Sie aus?

Vorziehen ist ausgeschlossen. Das können wir nicht verkraften, denn wir haben die Steuerreform so gemacht, wie der angespannte Staatshaushalt es hergibt. Ausweichen in neue Schulden ist das genaue Gegenteil von einer nachhaltigen Finanzpolitik. Außerdem wollten wir Berechenbarkeit herstellen. Da muss man sich auch dran halten. Es ist für die Wirtschaft wichtig, die Rahmenbedingungen zu kennen und nicht alle naselang überlegen zu müssen, ob die sich wieder ändern. Mit ständigen Änderungen erzeugt man nur Lähmung.

Herr Eichel[Sie waren im Restaurant], bekommen

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