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Politik: Harmonie steht erst an zweiter Stelle Müntefering will keine Änderungen an der Agenda 2010

Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, kam mit einer blutigen Wunde auf der Stirn aus dem Fraktionssaal der SPD. Aber Stiegler wiegelte ab.

Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, kam mit einer blutigen Wunde auf der Stirn aus dem Fraktionssaal der SPD. Aber Stiegler wiegelte ab. Nein, es habe keine deftigen Auseinandersetzungen auf der Klausurtagung der SPD-Fraktion gegeben. Jetzt sei er sich „traumhaft sicher“: „Bei uns wird es keine Gegenstimmen gegen die Agenda 2010 geben“. Und das sei noch wichtiger als der Sonderparteitag am Sonntag, bei dem er im Übrigen mit einer Zustimmung von „80 Prozent plus“ rechne. Die Wunde hat er sich beim hastigen Erheben im Flugzeug geholt.

Warum die Ablehnungsfront in der Fraktion auf ein Minimum gebröckelt ist, glaubte Stiegler auch zu wissen: Zu Beginn sei die Agenda als „Ansammlung von Nadelstichen“ wahrgenommen worden. „Inzwischen aber wird die Akupunktur, der Heilplan dahinter klar.“ Und außerdem hätten die Reformkritiker in der langen Diskussion ja auch eine ganze Menge erreicht. Genau diesen Eindruck aber wollte Fraktionschef Franz Müntefering gar nicht erst aufkommen lassen. „Ich sehe keine Veränderungen an der Agenda. Sie steht unverändert“, sagte er nach der zweitägigen Klausur. Das ist der Spagat, den die SPD-Spitze gerade aushalten muss: Sie will den Kritikern zwar das gute Gefühl geben, etwas erreicht zu haben. Gleichzeitig darf aber nicht der Eindruck entstehen, das Reformwerk sei verwässert.

Während der Klausurtagung hielten sich die Chefkritiker der Agenda in der Tat zurück. Natürlich hielt SPD-Rebellin Sigrid Skarpelis-Sperk noch einmal ihre berüchtigte „Wirtschaftsvorlesung“, über die der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Rainer Wend, sagte: „Wir können es alle nicht mehr hören.“ Andere Rebellen wie der junge Florian Pronold betonten dagegen, dass man das eine oder andere Unsoziale entschärft habe, etwa beim neuen Arbeitslosengeld II. Nun müsse es aber noch Verbesserungen beim Krankengeld geben und etwas für die Verteilungsgerechtigkeit getan werden, sprich: die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Aber Müntefering hat keine Lust mehr auf weiteres Verständnis für die rebellische Minderheit. „Es geht nicht primär um Harmonie in der Partei, sondern um Lösungen für das Land.“ So reformlustig hat der Fraktionschef selten geredet. Er setzt auf die Zeit nach der Agenda, in der das Reformieren nicht aufhören wird. So konnte Stellvertreter Stiegler auch die jüngste Forsa-Umfrage nicht schrecken, in der die SPD auf bittere 25 Prozent gesackt ist: „Wenn wir die Agenda jetzt durchkriegen, kann das der Kick-Off für die SPD zu neuen Höhenflügen sein.“ Stiegler muss nur aufpassen, dass er sich bei diesem Höhenflug nicht wieder die Stirn stößt.

Markus Feldenkirchen

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