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Nicht ganz auf Augenhöhe. Ursula von der Leyen (rechts) verhandelt für die Regierung, Manuela Schwesig soll die Interessen der SPD durchsetzen.

© dpa

Hartz IV: Für ein paar Euro mehr

Regierung und Opposition streiten seit Monaten über die Hartz-IV-Reform. In der Nacht ist die eigentlich entscheidende Runde ohne Entscheidung geblieben. Um was es geht.

Berlin - Seit Dezember streiten Regierungsparteien und Opposition über die Hartz-IV-Reform – eine Spitzenrunde mit Vertretern von Union, FDP, SPD und Grünen sollte in der Nacht zum Montag den Durchbruch bringen. Gelingt die Einigung, könnte der Bundesrat am kommenden Freitag die vom Bundesverfassungsgericht für Anfang 2011 geforderte Reform verabschieden. Da Schwarz-Gelb in der Länderkammer keine Mehrheit hat, ist die Koalition auf Unterstützung von SPD und Grünen angewiesen. Die Verhandlungen waren bis Redaktionsschluss nicht abgeschlossen. SPD und Grüne hatten in den vergangenen Wochen Zugeständnisse in drei Bereichen verlangt.



Regelsatz:
Die rund 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger sollten nach dem Vorschlag der Bundesregierung jeden Monat fünf Euro mehr erhalten: Der Regelsatz soll – rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 – von derzeit 359 Euro auf 364 Euro steigen. Die Höhe der Leistungen für Langzeitarbeitslose richtet sich dabei nach dem Ausgabeverhalten der ärmeren Haushalte in Deutschland, das alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt in einer umfangreichen Stichprobe erfasst wird. Die vorgelegten Berechnungen seien verfassungsfest, beteuert Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) seit Wochen. Jeder Euro, der beim Regelsatz draufgelegt wird, kostet rund 75 Millionen Euro im Jahr.

SPD, Grüne und Linkspartei haben immer wieder kritisiert, bei der Neuberechnung sei an mehreren Stellschrauben gedreht worden, damit das Plus möglichst gering ausfällt. Erstens wird nicht mehr der Konsum der unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher herangezogen, sondern nur noch der der unteren 15 Prozent – und die haben natürlich weniger Geld zur Verfügung. Zweitens wurden komplette Ausgabeposten gestrichen, wie Alkohol und Tabak. Und drittens sind in der Vergleichsgruppe aus Sicht der Opposition immer noch zu viele Menschen, die nur auf Hartz-IV-Niveau oder sogar von weniger leben: etwa Personen, die Hartz IV durch einen kleinen Zuverdienst aufstocken oder die Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten, diesen aber aus Scham nicht geltend machen („verdeckte Armut“). Wenn diese aber zum Maßstab für die Höhe der Regelsätze würden, kritisiert die Opposition, würden auch die Hartz-IV-Leistungen nie steigen – es käme zu sogenannten Zirkelschlüssen. Während die Linkspartei in den Verhandlungen eine konkrete Zahl nannte (392 Euro im Monat als Untergrenze), legte die SPD sich nicht auf eine Summe fest. Die Sozialdemokraten forderten jedoch Teilkorrekturen beim Regelsatz, damit dieser „verfassungsplausibler“ werde.



Bildungspaket:
Für die zwei Millionen Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien soll es anstelle von mehr Bargeld ein Bildungspaket mit Sachleistungen geben: Zuschüsse zu Schulausflügen, zum Mittagessen in Schulen und Kitas sowie zur Nachhilfe. Außerdem sind zehn Euro im Monat für Vereine vorgesehen. Die Verhandler haben sich bereits darauf verständigt, dass auch Kinder von Geringverdienern diese Zuschüsse erhalten sollen. SPD und Grüne verlangen darüber hinaus mehr Geld für Sozialarbeit.

Gestritten wurde weniger über die Bausteine als über die Umsetzung des Bildungspakets. SPD und Grüne haben durchgesetzt, dass die Kommunen sich darum kümmern und nicht die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen. Offen war bis zuletzt, auf welchem Weg der Bund den Kommunen das dafür erforderliche Geld zur Verfügung stellt. Eine Grundgesetzänderung, die CSU-Chef Horst Seehofer dafür ins Gespräch gebracht hatte, ist inzwischen auch wegen des Widerstands der Unions-Bundestagsfraktion vom Tisch.



Mindestlöhne:
Dass die Forderung nach einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn am Widerstand von Union und FDP scheitern würde, war SPD und Grünen von Anfang an klar. Nun soll es aber einen Branchenmindestlohn in der Zeitarbeit geben. Dafür hatten sich zuletzt auch Unionspolitiker eingesetzt – mit Blick auf die weitere Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitnehmer und Firmen ab Mai. Äußerst umstritten war bis zuletzt, nach wie vielen Monaten Zeitarbeiter die gleichen Löhne und Arbeitsbedingungen wie die Stammbelegschaft erhalten sollen („equal pay“). Hier gab es auch Differenzen zwischen Union und FDP: Die Liberalen hatten zuletzt neun Monate angeboten, davon würde aber nur ein Bruchteil der Zeitarbeiter profitieren. Die CSU und Teile der CDU halten diese Frist deshalb für viel zu lang. SPD und Grüne hatten gleiche Bezahlung nach vier Wochen verlangt.

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