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© dpa

Hartz IV: Koalition will wegen Kindern nicht mehr ausgeben

Union und FDP wollen zusätzliche Mittel für Hartz-IV-Kinder – ohne dass es insgesamt mehr kostet.

Berlin - Wenn Guido Westerwelle in der aktuellen Debatte um das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts so um sich holzt, hat das auch einen ganz inhaltlichen Grund: Der FDP-Chef befürchtet, dass der Richterspruch zu höheren Hartz-IV-Sätzen führen könnte. Zwar haben die obersten Juristen in ihrer Kritik am allzu groben Berechnungsverfahren von Regelsätzen und Existenzminimum ausdrücklich offen gelassen, ob die 6,7 Millionen Langzeitarbeitslosen und ihre Angehörigen am Ende mehr Geld bekommen müssen. Doch für Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) war gleich klar: „Das kann die Sache teurer machen, und das ist dann auch richtig.“

Solche Vorwegnahmen, noch dazu von der federführenden Ministerin, ärgern die Liberalen – auch wenn Leyen inzwischen wieder vorsichtig zurückrudert. Anders als die Opposition und so gut wie alle Sozialverbände sehen sie genug Spielraum, um mögliche Mehrkosten etwa für Kinder an anderer Stelle wieder einzusparen. Zwar dürfe kein Kind „ausgeschlossen werden, weder von der Musikschule, der Nachhilfe, noch vom Sportverein“, stellte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der „BZ am Sonntag“ klar. Das bedeutet aber „nicht automatisch mehr Geld, denn wir müssen auch an den Steuerzahler denken, der das Geld in Solidarität aufbringt.“ Der Gesetzgeber müsse nun sagen, „diese Leistung muss sein und jene Leistung bleibt außen vor“, betonte FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb. „Das ist schwer, aber das wollen und werden wir tun.“

Kräftig Gedanken, wie dieses Sparen „im System“ aussehen könnte, haben sich bereits die Christsozialen gemacht. Das beginnt mit dem Vorschlag ihres Sozialexperten Max Straubinger, die bisher mit rund 19 Euro veranschlagten Kosten für Alkohol und Tabak nicht mehr in den Regelsatz einzubeziehen. Die Ministerin hält dagegen – und nicht nur, weil in dem Vorschlag die alte Polemik mitschwingt, dass die Hartz-IV-Familienväter und -mütter ihr Geld lieber vertrinken und verqualmen, als es für ihre Kinder auszugeben. Auch wenn sie persönlich nicht rauche, sagte Leyen der „Super- Illu“, verstehe sie es nicht als ihre Aufgabe, „den Menschen zu sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben“. Ein Liberaler hätte das nicht schöner formulieren können.

Auch unterschiedliche Sätze für Geschwisterkinder könnten beim Sparen helfen, meint Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer. Man müsse „überlegen, ob für das zweite und dritte Kind der gleiche Bedarf besteht wie für das erste Kind“, sagte die CSU-Politikerin der „Passauer Neuen Presse“. So könne die Kleidung der Größeren „durchaus weitergegeben werden, so wie es in Familien üblich ist“. Das gleiche gelte für Kinderwagen, Flaschenwärmer oder Autositze. Und was weitergegeben wird, so die Folgerung, muss auch nicht bezahlt werden.

CSU-Chef Horst Seehofer schließlich brachte eine regionale Staffelung der Sätze ins Spiel. Motto: Wo sich’s billiger leben lässt, muss dem Arbeitslosen auch nicht so viel gezahlt werden. Die größten regionalen Unterschiede gebe es doch bei der Miete, parierte die Ministerin. Die aber werde deshalb gesondert und auch regional unterschiedlich bezahlt. Außerdem müsse der Gesetzgeber dann auch berücksichtigen, dass es „in der Stadt mehr Kultur und Hilfsangebote gibt und auf dem Land die Wege weiter sind“, sagte die Arbeitsministerin. Und warnte: „Dann schaffen wir ein bürokratisches Monster.“

Der CDU-Politikerin reichen schon die sogenannten Härtefälle, die das Bundesverfassungsgericht gesondert geregelt haben will. In dieser Woche werde man den Jobcentern dafür einen Katalog mit Beispielen erstellen, kündigte sie an. Jedoch gehe es dabei nur um den wiederkehrenden Bedarf etwa von Aidskranken oder Rollstuhlfahrern. „Die Waschmaschine gehört sicher nicht dazu.“ Solche Anschaffungen seien in die Sätze eingerechnet, dafür müssten die Bezieher eben sparen.

Er sehe bei alledem nicht, dass der Urteilsspruch „Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben muss“, sagte auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der „Frankfurter Rundschau“. Sein Argument: Die nötigen Sozialleistungen dürften die Aufnahme von Arbeit nicht unattraktiv machen. Wenn es nur um den Lohnabstand geht, haben Sozialdemokraten und Linke jedoch ein probates Gegenmittel, das SPD-Chef Sigmar Gabriel der Regierung bei dieser Gelegenheit gleich wieder empfiehlt: Mindestlöhne.

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