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Die Linken-Bundestagsfraktion will juristisch eine Festsetzung der Hartz-IV-Regelsätze erzwingen. Die Fraktion unterstützt die bayerische Hartz-IV-Empfängerin Angelika Schömig (Mitte) bei ihrer Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg. Der „gesetzlose Zustand“ müsse beendet werden, forderte Fraktionschef Gregor Gysi (links) am Mittwoch.

© dpa

Hartz-IV-Kompromiss: Wie gewonnen, so zerronnen

Beck, Seehofer und Böhmer wollen Hartz-IV-Regelsatz um acht Euro erhöhen. Doch der Deal ist am Tag danach schon wieder obsolet – Merkel ist dagegen.

Berlin - Die drei erfahrenen Ministerpräsidenten hatten es sich so schön vorgestellt: In kleiner Runde wollten Kurt Beck (SPD), Wolfgang Böhmer (CDU) und Horst Seehofer (CSU) am Dienstag den Streit über Hartz IV abräumen, der seit zwei Monaten die Politik beschäftigt. Und nebenbei den Bundespolitikern aus Berlin zeigen, wie man politische Kompromisse schließt. Drei Stunden lang berieten die Regierungschefs aus Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Bayern, bevor sie mit der guten Botschaft vor die Kameras traten, dass eine baldige Lösung möglich sei – und das auch noch in einem finanziell verantwortbaren Rahmen.

Doch der Deal, auf den sich die drei Herren verständigt haben, ist am Tag danach schon wieder obsolet. Denn er sieht unter anderem vor, dass der Regelsatz doch stärker steigen soll, als bislang geplant – um acht statt fünf Euro. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Unions-Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich ein Tabu, an dem sie nicht rühren wollen. Am Mittwochmorgen verständigten sie sich nach dem Kabinettsfrühstück dem Vernehmen nach darauf, dass es diese Erhöhung nicht geben soll. „Die drei Euro sind vom Tisch“, hieß es in Koalitionskreisen.

An der Höhe der Hartz-IV-Bezüge war in der vergangenen Woche die erste Vermittlungsrunde zwischen Koalition und Opposition gescheitert. Die beiden Unions-Ministerpräsidenten zeigten sich nach übereinstimmenden Angaben bei dem Treffen am Dienstag offen für den Vorschlag von Beck, den Regelsatz für die rund 4,7 Millionen erwachsenen Hartz- IV-Bezieher um acht statt um die geplanten fünf Euro anzuheben – auf insgesamt 367 Euro im Monat.

Begründet wird diese Anhebung damit, dass die Preissteigerungen stärker berücksichtigt werden sollen, die es seit der Erhebung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 gab. Auf diese Daten des Statistischen Bundesamts zum Konsum von Geringverdienern stützt sich die Berechnung der Regelsätze. Außerdem war eine neue Härtefallregelung für Familien mit Kindern angedacht, die einmalige Sonderleistungen beantragen können sollten. Insgesamt wurden die zusätzlichen Kosten für die Regelsätze in Verhandlungskreisen auf 250 Millionen Euro beziffert. Entgegenkommen gab es darüber hinaus auch bei den von der SPD geforderten Sozialarbeitern für soziale Brennpunkte.

Die stärkere Anhebung der Regelsätze sei keine systematische Veränderung, hieß es in Verhandlungskreisen. Man könne der Bundesregierung daher nicht den Vorwurf machen, dass sie keinen verfassungsfesten Vorschlag gemacht habe. Außerdem schlage der Vorschlag der drei Ministerpräsidenten günstiger zu Buche als etwa die schon einmal angedachten Zuschläge für Monatsfahrkarten.

Argumente, die bei der Kanzlerin und in den Fraktionen offenbar nicht verfingen. Durch den Deal der Ministerpräsidenten alarmiert, wollen nun Unionsfraktionschef Kauder, seine FDP-Kollegin Birgit Homburger und der CSU-Mann Friedrich sich selbst in die Verhandlungen einmischen. Ursprünglich sollte bereits an diesem Donnerstag eine zehnköpfige Arbeitsgruppe mit Vertretern von Union, FDP, SPD und Grünen über den Vorschlag der drei Ministerpräsidenten diskutieren. An dieser sollten die Fraktionen zwar beteiligt werden, allerdings nicht mit ihren jeweiligen Vorsitzenden. Das Treffen wurde nun auf den Wahlsonntag vertagt. Kurz bevor die Wahllokale in Hamburg schließen, soll die nächste Hartz-IV-Runde starten.

Ob es nun bei dem von den drei Regierungschefs angedachten Zeitplan bleibt, ist damit wieder völlig offen. Eigentlich, so hatten Beck, Böhmer und Seehofer es sich erträumt, sollte die Reform bereits am kommenden Freitag vom Bundesrat verabschiedet werden.

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