zum Hauptinhalt
Darf’s ein bisschen mehr sein? Die Hartz-IV-Verhandlungen könnten ein höheres Plus als fünf Euro ergeben. Foto: dpa

© dpa

Hartz IV: Neue Zahlen, neues Spiel

Horst Seehofers Acht-Euro-Plan für die Hartz-Empfänger könnte doch noch Wirklichkeit werden.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die psychologische Wirkung von großen Zahlen ist bekannt. Wer für 30 Euro von Berlin nach Rom fliegen kann, wird zunächst einmal zufrieden sein. Ärgerlich wird es erst, wenn man entdeckt, dass Flughafengebühren und Steuern den Gesamtpreis – und zwar ganz legal – auf über 100 Euro treiben.

Auch in den Bundestagsfraktionen von Union und FDP geht es in diesen Tagen um große Zahlen und um deren Legalität. Monatelang war man – vor allem bei CSU und CDU – dem Argument der eigenen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gefolgt, eine Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf auf 364 Euro monatlich zum 1. Januar 2011 sei von der Verfassung geboten und damit auch politisch in Ordnung. Als „Willkür“ hatte man demzufolge jede Forderung der Opposition zurückgewiesen, auf diese fünf Euro noch einmal etwas draufzulegen.

Und auch an diesem Freitag, kurz vor dem nächsten Verhandlungstermin in Sachen Hartz-Reform, hält die Spitze der schwarz-gelben Koalition an dieser Position fest. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erinnerte noch einmal daran, dass es auch an diesem Sonntag „nicht um einen Kuhhandel“ gehen könne. Und in der Unionsfraktion hieß es, ein „politisches Plus“ auf die fünf Euro werde man ablehnen.

Allerdings kommt es auch hier, wie so oft im Leben, auf das Kleingedruckte an. So hat man sich in der Koalition nämlich in den letzten Tagen noch einmal ganz genau mit dem Kompromissvorschlag der drei Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), Wolfgang Böhmer (CDU) und Kurt Beck (SPD) befasst. Die älteren Herren hatten vorgeschlagen, den Regelsatz nicht nur um fünf, sondern um acht Euro monatlich anzuheben. Ihr Argument: Zur Berechnung der fünf Euro hatte sich die Arbeitsministerin auf die Datenbasis des Jahres 2009 gestützt. Mittlerweile – um präzise zu sein: seit zwei Wochen – liegen jedoch viel aktuellere Daten über Preise und Löhne vor, nämlich solche aus dem Jahr 2010. Und wenn man nun mit dem Berechnungsmodell von der Leyens und den aktuellsten Daten einen Regelsatz ausrechnet, dann ergebe sich eben eine Erhöhung des Satzes um acht Euro.

Ein solcher Ansatz mag auf den ersten Blick willkürlich wirken. Weshalb ihn die Fraktionsspitzen der Koalition zunächst auch barsch zurückgewiesen haben. Bei genauerer Betrachtung jedoch könnte eine solche Lösung auch den eigenen Maßstäben genügen. Schließlich wird das Modell der Arbeitsministerin zur Berechnung der Sätze nicht in Frage gestellt, man bliebe demzufolge auf dem Pfad der Verfassungsmäßigkeit. Und unter Umständen käme man dem Auftrag des obersten Gerichtes sogar noch etwas näher als bisher. Die Karlsruher Verfassungsrichter nämlich hatten der Politik ausdrücklich aufgegeben, „zu jeder Zeit“ sicherzustellen, dass den Hartz-Empfängern das Existenzminimum zur Verfügung steht, weshalb dieses „zeitnah“ angepasst werden muss. Von zeitnah kann aber keine Rede sein, wenn man bedenkt, dass es die letzte Anpassung der Regelsätze im Sommer 2009 gegeben hat – und die nächste Anpassung erst zum Januar 2012 vorgesehen ist. Was zur Folge hätte, dass die Ärmsten der Armen im Land die Inflation von zweieinhalb Jahren selbst zu tragen hätten.

Dass Ursula von der Leyen unter diesen Umständen am Sonntag der Acht–Euro-Lösung zustimmen wird, war am Freitag noch nicht absehbar. Allerdings wurde im Arbeitsministerium schon fleißig mit großen Zahlen gerechnet. Und auch in der Unionsfraktion hieß es statt „nein“ plötzlich, man könne über acht Euro reden, wenn sich bis Sonntag ein „durchschlagend plausibler Grund“ auftut, „der sich vorher nicht gezeigt hatte“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false