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"Richtig sauer": SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig tritt nach den gescheiterten Verhandlungen vor die Mikrofone.

© dpa

Hartz-IV-Reform: SPD: Regierung wollte "Verhandlungen platzen lassen"

Die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition über die Hartz-IV-Reform sind endgültig gescheitert. SPD-Verhandlungsführerin Schwesig bezichtigt Kanzlerin Merkel des Verrats.

Die Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Opposition über die Hartz-IV-Reform sind geplatzt. Eine Spitzenrunde der Verhandlungsführer um Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Vizeparteichefin Manuela Schwesig fand in der Nacht zum Mittwoch nach mehr als fünfstündigen Gesprächen in Berlin keine Einigung.

Schwesig erhob im Anschluss schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. "Bundesministerin von der Leyen hatte den Plan, die Verhandlungen platzen zu lassen", sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Die Verhandlungsgruppe von CDU/CSU und FDP habe keine Kompromissbereitschaft gezeigt. "Die Kanzlerin hat zwei Millionen arme Kinder verraten. Ich bin richtig sauer", sagte die SPD-Verhandlungsführerin weiter. Nach zähen Verhandlungsrunden hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen erfolgreichen Kompromiss der Hartz-IV-Reform am Montag zur "Chefsache" erklärt.

Die schwarz-gelbe Koalition will nun am Mittwoch im Vermittlungsausschuss und am Freitag im Bundesrat ihre Vorschläge zur Abstimmung stellen. Sie hofft dabei in der Länderkammer auf eine Mehrheit für ihr Paket. Dieses sieht unter anderem eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II rückwirkend zum Jahresanfang um fünf auf 364 Euro vor.

Von der Leyen äußerte Bedauern nach dem Scheitern: "Wir haben eine große Lösung gesucht, diese aber mit der Opposition nicht gefunden." Union und FDP hätten sich "weit bewegt", von der SPD aber "nur Maximalforderungen gehört".

"Wir haben lange genug geredet, jetzt muss mal Schluss sein", hatte CSU-Chef Horst Seehofer gemurrt, bevor er in den Aufzug im Foyer der saarländischen Landesvertretung stieg. Nur wenige Stunden später, gegen 23 Uhr, musste die Hartz-IV-Spitzenrunde mit Politikern von Koalition und Opposition bereits die zweite Auszeit nehmen. Befragt nach den Erfolgsaussichten der Gespräche, senkten Vertreter beider Seiten den Daumen.

Seit Weihnachten haben Koalition und Opposition über die Hartz-IV-Reform verhandelt, zwei Spitzenrunden waren bereits ohne Ergebnis geblieben. Zuletzt hatten die Verhandler beider Seiten in der Nacht zum Montag fast zehn Stunden lang vergeblich um Regelsätze, Mindestlöhne und das Bildungspaket für Hartz-IV-Kinder gefeilscht. Knackpunkt waren am Ende die Regelsätze. Die sollten es auch an diesem Dienstag bleiben. Dass es auf eine harte Konfrontation hinauslaufen würde, hatte sich bereits im Laufe des Tages abgezeichnet. Politiker von Union und FDP machten da bereits deutlich, dass sie am Regelsatz nichts verändern wollen. Über die versprochenen fünf Euro hinaus solle es keinen Cent mehr geben.

SPD und Grüne legten daher ein neues Angebot auf den Tisch – wohl in der Hoffnung, Union und FDP eine gesichtswahrende Lösung beim schwierigen Thema Regelsatz anzubieten. „Wir wollen, dass es eine Einigung gibt. Es geht uns um die Frage der verfassungskonformen Regelsätze“, betonte Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. Konkret sah dieses Angebot vor, bei der Berechnung der Regelsätze wieder die bisherige Vergleichsgruppe der unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher heranzuziehen. Im Gegenzug sollten die im Regelsatz vorgesehenen Ausgaben für Mobilität gekürzt werden. Hartz-IV-Empfänger hätten diese dann extra beantragen können. Unter dem Strich wäre der Regelsatz also bei den geplanten 364 Euro geblieben, SPD und Grüne hätten aber argumentieren könne, er werde „verfassungsplausibler“.

Ein Angebot, das Union und FDP nach einstündigen internen Beratungen ablehnten. Beim Regelsatz, das machten die Verhandler um von der Leyen klar, würden sie hart bleiben. Im Gegenzug boten sie SPD und Grünen ein weiteres Entgegenkommen beim Bildungspaket an – die nächste Auszeit bis Mitternacht wurde erforderlich. Bei der SPD machte sich Frust breit. „Das war heute nur eine Showveranstaltung“, stöhnte einer aus der Delegation. Die Verhandler selbst waren da noch nicht vor die Presse getreten, um ein mögliches Scheitern der Gespräche bekannt zu geben. Noch saßen sie in der fünften Etage der Landesvertretung zusammen, im „Saal Saarland“

Der Raum war vermutlich nicht mit Absicht gewählt worden – und doch spielte das Saarland in den Gesprächen am Rande der Verhandlungen eine besondere Rolle. Denn die Koalition hatte für den nächsten Tag bereits einen Plan, schon bevor sie sich in die Verhandlungen begab: Der Vermittlungsausschuss wurde für Mittwoch einberufen. Schwarz-Gelb wolle dort, so hieß es aus Koalitionskreisen, eine Abstimmung über das Hartz-IV-Paket erzwingen – auch dann, wenn es keine Einigung mit der SPD gebe. Das Kalkül: Mit den Stimmen von Union und FDP könnte der Ausschuss ein Vermittlungsergebnis beschließen, über das dann der Bundesrat am Freitag entscheiden kann. In der Koalition hofft man, dass angesichts der in Aussicht gestellten Milliardenentlastungen für die Kommunen eines der Länder umfallen könnte, die bisher die Hartz-IV-Reform abgelehnt haben – etwa das von CDU, FDP und Grünen regierte Saarland. „Unsere Länder stehen“, versichert zwar ein SPD-Mann. Doch auch für den Fall, dass der Bundesrat die Reform am Freitag erneut ablehnte, konnte am Abend noch keiner der Beteiligten sagen, was dann passiert. Theoretisch, so analysierte einer, könne der Bundestag dann noch einmal den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann ginge die ganze Feilscherei von vorne los. (mit rtr/dpa)

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