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Hartz IV: Sachleistungen statt Geld

Die FDP will das Vorhaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützen, Hilfen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern auch als Sachleistungen abzugeben. Die Opposition fordert mehr.

Das kündigte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Heinrich Kolb an: „Auf dieser Basis können sich Union und FDP auf eine Reform einigen“, sagte Kolb dem Tagesspiegel am Sonntag. Sozialdemokraten und Grüne übten hingegen scharfe Kritik.

Die Kanzlerin hatte am Wochenende erklärt, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehe es nun darum, zu entscheiden, wie die Bedürfnisse der Kinder am besten berücksichtigt werden könnten. Merkel sagte dem „Kölner Stadtanzeiger“, die Bundesregierung werde „prüfen, wie kinderspezifische Bedarfe am besten abgegolten werden können, also auch durch Sachleistungen wie schulische Angebote und nicht nur durch Transferzahlungen“. Um die künftige Höhe der Hartz- IV-Regelsätze festzulegen, benötige die Regierung aber die Auswertung der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die im Herbst vorliegen solle. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung gefordert.

SPD-Chef Sigmar Gabriel ging Merkel frontal an. „Zwischen Reden und Handeln gibt es bei Frau Merkel große Unterschiede. Prüfaufträge und das Einsetzen von Kommissionen ist scheinbar das Einzige, was sie noch hinkriegt“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Dabei liege die richtige Entscheidung auf der Hand. „Wir brauchen die alten Sonderbedarfe für Kinder wieder.“ Anschaffungen wie Wintermäntel oder Schulcomputer könnten arbeitslosen Eltern dann gegen Vorlage des Kaufnachweises erstattet werden; komplizierte Gutscheinsysteme würden damit überflüssig.

Zugleich warf Gabriel den CDU-Ministerpräsidenten vor, Kindern von Langzeitarbeitslosen den Zugang zu Bildung erschwert zu haben. „Überall dort, wo die CDU regiert, wurden die Sachleistungen, die Angela Merkel jetzt fordert, gestrichen.“ So hätten die Länder Niedersachsen und Hamburg die Lernmittelfreiheit für Schulbücher abgeschafft.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wies Merkels Vorschlag als „allgemein, unverbindlich und unbrauchbar“ zurück. Dem Tagesspiegel am Sonntag sagte Künast, Kinder von Langzeitarbeitslosen benötigten einen Regelsatz, der auf ihre Bedürfnisse berechnet sei – „vom Schuh bis zum Schulheft und Stift“. Sachleistungen wie Mittagessen, Sport und kulturelle Angebote für die Kinder müssten von den Kommunen erbracht werden. Die Städte und Gemeinden würden von der schwarz-gelben Regierung derzeit jedoch finanziell ausgetrocknet. Dagegen lobte FDP-Fraktionsvize Kolb, die Kanzlerin sei mit ihren Äußerungen auf die Linie der FDP „eingeschwenkt“. Seine Partei habe bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung gefordert, „dass der Zugang zu Bildung für Kindern von Hartz-IV-Empfängern am besten durch Sachleistungen gewährt werden kann“.

Die Spitzenkandidatin der nordrhein- westfälischen SPD, Hannelore Kraft, sorgte unterdessen mit Vorschlägen zur Beschäftigung von Hartz-IV-Empfängern für Aufsehen. Im „Spiegel“ plädierte Kraft für die Schaffung von gemeinnützigen Jobs für Langzeitarbeitslose. „Wir müssen endlich ehrlich sein. Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden.“ Für sie müsse so schnell wie möglich „ein Gemeinwohl-orientierter Arbeitsmarkt“ aufgebaut werden.

Der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, nannte es „unerträglich“, dass Kraft einem Viertel der rund 570 000 Hartz-IV-Empfänger keine Chance mehr einräume. Die FDP begrüßte den Vorschlag.  FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, mit den Äußerungen von Kraft gestehe die SPD erstmals ein, dass es im Sozialstaat einen Erneuerungsbedarf gebe. FDP-Chef Guido Westerwelle wird in der Sozialstaatsdebatte von der SPD unter anderem kritisiert, weil er fordert, Hartz-IV-Empfänger für gemeinnützige Arbeiten wie „Schneeschippen“ heranzuziehen.

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