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Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime.

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Update Exklusiv

Antisemitismus-Debatte: Zentralrat der Muslime: Rassismus drängt in die Mitte der Gesellschaft

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, hat den Umgang mit Antisemitismus und Rassismus in Deutschland als zu lau kritisiert. Auch der jüdische Weltkongress ist in Sorge.

Jüdische und muslimische Organisationen sorgen sich wegen eines aus ihrer Sicht wachsenden Rassismus und Antisemitismus bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft hinein. Sie verweisen dabei sowohl auf den Ton der Beschneidungsdebatte als auch auf mehrere antisemitisch motivierte Angriffe auf jüdische Bürger in den vergangenen Wochen.

Bei Angriffen auf Juden sei Deutschland „leider keine Insel der Seligen“, sagte Maram Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, dem Tagesspiegel. Auch wenn sich die Bundesrepublik seit dem Holocaust zu einem Land gewandelt habe, in dem Juden wieder gerne leben, gewinne man in jüngster Zeit dennoch den Eindruck eines tiefer gehenden Stimmungswandels. „Das Klima für Juden in Deutschland wird wieder rauer.“

Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, ist der Umgang mit Rassismus in Deutschland viel zu lau: „Es ist völlig unverständlich, wie blass die Reaktion auf den Angriff auf Stephan Kramer war“, sagte Mazyek. „Hass und Übergriffe insbesondere auf Muslime und Juden“, die „immer offener ausgetragen“ würden, seien „vor allem Anschläge auf unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft“, sagte Mazyek. Dies nachlässig zu behandeln, mache es möglich, dass die Täter immer weiter Terrain gewönnen. „Wir haben in unserem Land kein Nazi-Problem, sondern wir haben eines mit einem Rassismus, der in die Mitte der Gesellschaft drängt.“ Die Beschneidungsdebatte, die „polemisch und mit wenig Sachverstand geführt“ worden sei, habe diesen Trend leider verstärkt und „die Hemmschwelle bei nicht wenigen weiter gesenkt, gegen Juden und Muslime vorzugehen“.

Kramer war am jüdischen Feiertag Jom Kippur nach eigener Aussage am Olivaer Platz in Charlottenburg auf dem Rückweg von der Synagoge beleidigt und bedroht worden. Um den 30-Jährigen, der ihn attackierte, von weiterer Aggression abzuhalten, habe er ihm die Waffe gezeigt, die er bei sich trug. Der Mann hat nun seinerseits wegen Bedrohung Strafanzeige gegen Kramer erstattet. Eine andere jüdische Berlinerin zeigte am selben Tag einen Taxifahrer an, der sich geweigert haben soll, sie zur Synagoge in der Fasanenstraße zu fahren. Ende August war Rabbiner Daniel Alter zusammen mit seiner siebenjährigen Tochter nahe seiner Wohnung im Schöneberger Stadtteil Friedenau von vier Jugendlichen antisemitisch beleidigt und zusammengeschlagen worden.

Der frühere Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Berliner Technischen Universität, der Historiker Wolfgang Benz, warnte allerdings vor Alarmismus: „Der real existierende Antisemitismus war nie auf Extremisten in der rechten Schmuddelecke beschränkt. Er ist immer auch in der Mitte der Gesellschaft positioniert.“

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