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Steineschmeißer. Die Autonomen haben keine Nachwuchssorgen. Sie gewinnen jedes Jahr ein paar Jugendliche dazu, wenn auch keine großen Massen. Foto: Danny Gohlke/ddp

© ddp

Politik: Hassgesänge zum Einstieg

Der Verfassungsschutz registriert mehr gewaltbereite Linke und Zuwächse bei den Islamisten

Von Frank Jansen

Berlin - Die linksextreme Szene in Deutschland wird stärker. Das „Potenzial“ sei im vergangenen Jahr, nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften, um 600 Personen auf 32 200 gewachsen, sagten Verfassungsschützer dem Tagesspiegel. Den deutlichsten Anstieg, um 500 Personen auf jetzt 25 800, verzeichnete das Spektrum der „Marxisten-Leninisten und anderen revolutionären Marxisten“, wie der Nachrichtendienst die in der Regel nicht zu Gewalt neigenden Organisationen nennt. Auffallend ist vor allem die weitere Zunahme beim Verein „Rote Hilfe“, der Linke unterstützt, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Im Jahr 2010 sei die Zahl der Mitglieder auf 5500 gestiegen (2009: 5300, 2008: 5000). Die Rote Hilfe sei „strömungsübergreifend“ für Linksextremisten attraktiv, hieß es.

Gewachsen ist auch das Potenzial der gewaltbereiten Linken, hauptsächlich Autonome. Hier sei im vergangenen Jahr eine Zunahme um 200 Personen auf 6800 zu verzeichnen, sagten die Experten. Damit setzt sich der seit 2005 zu beobachtende Anstieg fort. Damals zählten die Behörden für Verfassungsschutz 5500 gewaltbereite Linksextremisten, seitdem gab es fast jedes Jahr einen Zuwachs.

Als eine Ursache nennen Verfassungsschützer die zunehmend populäre „Einstiegsdroge“ Hassmusik. Ähnlich wie in der rechtsextremen Szene gebe es auch Bands bei den Linken, die zu Gewalt aufrufen und actionorientierte Jugendliche anlocken. Als Beispiel wird die Gruppe „Krachakne“ genannt. Sie ist die erste linke Band im Bundesland Brandenburg, die sich demnächst vor Gericht verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte im September 2010 die vier jungen Mitglieder angeklagt, öffentlich zu Körperverletzung aufgefordert zu haben, wenn auch „erfolglos“. In einem Song zu den jährlichen Krawallen am 1. Mai werden Angriffe auf Polizisten propagiert, mit Parolen wie „Bullenschwein, ach Bullenschwein, wir schlagen dir die Fresse ein“ und „die Polizei dein Freund und Helfer, knall sie ab und hilf dir selber“. Am 19. Januar beginnt am Amtsgericht Neuruppin der Prozess.

Im Oktober hatte zudem die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf Anregung des Landeskriminalamts Brandenburg eine CD der Band „DieVisitor“ indiziert. Die Gruppe ruft in einem Song mit dem Titel „Copkiller“ ebenfalls zu Gewalt gegen Polizisten auf.

Die Zahl der im vergangenen Jahr verübten linken Gewaltstraftaten ist allerdings noch nicht bekannt. Die Polizei sammelt noch die Daten für eine bundesweite Bilanz. Nach Informationen des Tagesspiegels ist allerdings bei linken wie bei rechten Gewaltdelikten eine Abnahme gegenüber 2009 zu erwarten. Außerdem war das rechte Potenzial, wie am Mittwoch berichtet, auf 25 000 Personen geschrumpft (2009: 26 600).

Bei den Islamisten ragt weiterhin der türkische Verein „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ heraus. Er wuchs 2010 um 1000 Mitglieder auf 30 000, vor fünf Jahren waren es noch 26 500. Verfassungsschützer bescheinigen Milli Görüs „Bindungskraft“ trotz der Probleme mit der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen Funktionäre des Vereins wegen des Verdachts auf Spendenbetrug. Ein Verfahren gegen den Generalsekretär von Milli Görüs wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung und weitere Delikte hatte die Staatsanwaltschaft München hingegen im September eingestellt. Im Frühjahr 2010 hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den von Milli Görüs dominierten Islamrat wegen der Vorwürfe gegen hohe Milli-Görüs-Funktionäre von der Islamkonferenz ausgeschlossen.

Der Zuwachs bei Milli Görüs macht im Wesentlichen auch den Anstieg des gesamten Potenzials der Islamisten aus. Im vergangenen Jahr sei eine Zunahme auf 37 500 Personen registriert worden, sagten Verfassungsschützer. 2009 hatte der Nachrichtendienst 36 270 Islamisten gezählt. Al-Qaida-Anhänger und andere Dschihadisten kommen in den Zahlen nicht vor, da dieses Milieu nur schwer zu erfassen ist.

Bei den ausländischen Extremisten jenseits des Islamismus ist die „ Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ mit unverändert 11 500 Mitgliedern die stärkste Kraft.

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