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Update

Hauen und Stechen in der AfD: Die AfD streitet um Putin und Lucke

Es brodelt in der Führungsriege der Alternative für Deutschland (AfD). Es geht um Inhalte und ums Personal. Was ist in der Partei los?

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Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) steckt in der Krise – und die Führung demontiert sich derzeit selbst. „Ich kenne keine Partei, die sich eine solche Kakophonie leistet wie die AfD“, sagt Vize-Parteichef Hans-Olaf Henkel, Verbündeter des Vorsitzenden Bernd Lucke. Henkel hält ebenso wie Lucke nichts vom Triumvirat mit drei Vorsitzenden und will eine straffere Führung. Dahinter steht ein Machtkampf ums Personal, bei dem auch inhaltliche Differenzen eine große Rolle spielen.

Warum droht Parteichef Bernd Lucke mit seinem Rückzug?

Lucke droht seinen Parteifreunden, um seine Macht auszubauen. Und nicht, weil er am Projekt AfD nicht mehr hängt. Das wird bei der Lektüre seines Interviews in der „FAZ“ deutlich. Gegenwärtig muss sich der Bundesvorsitzende den Job mit dem Publizisten Konrad Adam und der sächsischen AfD-Landes- und Fraktionschefin Frauke Petry teilen. Zwar sagt er: „Vielleicht bieten sich andere Führungspersönlichkeiten an.“ Und dass seine Familie „ein Wörtchen mitzureden“ habe, wenn es darum gehe, ob er bei der nächsten Vorstandswahl noch einmal antritt.

Luckes zentrale Botschaft aber ist: Die AfD muss professioneller werden. Das geht aus seiner Sicht nicht mit einem Führungsgremium, das an Strukturen aus der Frühzeit der Grünen erinnert, die in den 80er Jahren ebenfalls mit drei Bundessprechern anfingen. Die Grünen hätten auch erst einmal zehn bis zwanzig Prozent Verrückte gehabt, hat er sich sagen lassen. In der AfD entdeckt er „leider auch notorische Nörgler und Wichtigtuer“, Leute mit „politisch oder wirtschaftlich abstrusen Vorstellungen“. Lucke weiter: „Wir sind ja auch nicht satt und fett wie die CDU. Wir sind Anfänger und manchmal noch sehr amateurhaft.“ Das will der Parteichef ändern – und Konflikte mit Adam und Petry in Kauf nehmen, die sich überrumpelt fühlen. Unterstützt wird Lucke von seinem Europaparlamentskollegen Henkel. Der sagt, die Vielstimmigkeit der vergangenen Wochen „bestätigt die Notwendigkeit der Kommunikation mit einem Dirigenten“. Für den früheren BDI-Chef ist es keine Frage, dass das Lucke sein soll: „Ich kenne keinen besseren, anständigeren und vernünftigen Parteivorsitzenden als ihn.“ Vize-Parteichef Alexander Gauland indes will die Pläne von Lucke und Henkel durchkreuzen. Man arbeite gerne mit Lucke zusammen, „aber nicht um den Preis einer Satzung, die das bewährte Modell mehrerer Parteisprecher abschafft“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Wird sich die AfD zerlegen – ähnlich wie die Piratenpartei?

Ein Vergleich drängt sich durchaus auf: Auch die Piraten hatten in Serie Erfolge bei Landtagswahlen, bevor sie wegen innerer Widersprüche und Dauerstreit unter Funktionären und einfachen Mitgliedern in die Krise gerieten. Insofern heißt es für die dauerhafte Stabilität der AfD und ihren 2017 angepeilten Erfolg bei der Bundestagswahl noch sehr wenig, dass die Euro-kritische Partei erst ins Europaparlament einzog, dann im Herbst in die Landtage von Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Auf der anderen Seite ist es der AfD bisher relativ gut geglückt, sich vom rechtsextremistischen Milieu abzugrenzen. Es ist zwar übertrieben, wenn AfD-Chef Lucke behauptet, er kenne niemanden in seiner Partei, der auch „nur annähernd“ rassistisch, antisemitisch oder revanchistisch denke. Auf der anderen Seite vermied selbst der Historiker Lucius Teidelbaum in einer Studie für die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung, die AfD als „genuin rechtspopulistische Partei“ zu bezeichnen.

Wie wird in der AfD der Auftritt von Alexander Gauland bei einer Konferenz von Putin-Freunden bewertet?

Dass sich Parteivize Gauland am Samstag auf eine von Verschwörungstheoretikern organisierte Konferenz von Putin-Freunden begab – gemeinsam mit Funktionären der NPD, aber auch SPD-Urgestein Egon Bahr – nennt Parteifreund Henkel „inakzeptabel und furchtbar“. Die Sicht von Gauland auf Putin sei „falsch“, sagt der stellvertretende Vorsitzende. Eine „ehrenwerte Person“ wie Gauland müsse sich besser überlegen, in welche Gesellschaft sie sich begebe“, meint Henkel weiter: „Er hat der Partei damit geschadet.“

Welche Rolle spielt das Thema Russland für die AfD?

Das Verhältnis zu Russland ist nach der Kritik am Euro zum zweiten großen Thema der AfD geworden – besonders seit dem Ukraine-Konflikt. Die Haltung der Partei hat Gauland entscheidend geprägt. Schon im Herbst 2013 warnte er in einem Positionspapier für die AfD vor einer „weiteren Schwächung Russlands“. Von einem kremlfreundlichen Kurs ließen sich Gauland und seine Anhänger auch durch die russische Annexion der Krim nicht abbringen. Auf dem Erfurter Parteitag im März sprach sich die AfD gegen Russland-Sanktionen aus.

Doch Parteichef Lucke stimmte später im Europaparlament für einen Antrag, der Sanktionen gegen Moskau unterstützte und die Annexion der Krim als Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilte. Für dieses Votum schlug dem Parteichef massiver Protest aus der eigenen Partei entgegen. Denn in der AfD sammeln sich auch diejenigen, die eine stärkere Hinwendung Deutschlands zum Russland des Wladimir Putin und vor allem eine Abkehr vom alten „Westen“ befürworten. Auch Gauland kritisierte Luckes Abstimmungsverhalten scharf. In dieser Frage geht es letztlich um die Identität und das Selbstverständnis der Partei. Sollte Lucke die Machtfrage stellen, kann er sich einer breiten Unterstützung in seiner Partei keineswegs sicher sein.

Findet Moskau in der AfD einen deutschen Verbündeten?

Der Kreml sucht in der Ukraine-Krise den Schulterschluss mit Parteien, die Europa skeptisch oder gar feindlich gegenüberstehen – von der französischen Front National über die britische UKIP bis hin zur ungarischen Jobbik. Marine Le Pen, Vorsitzende der rechtsextremen Front National, hat beste Kontakte nach Moskau. Im April empfing sie dort der Vorsitzende der russischen Staatsduma, Sergej Naryschkin. Auch finanziell kann sich die Partei jetzt auf Hilfe aus Moskau stützen: Eine russische Bank gewährte der Partei einen Kredit in Höhe von neun Millionen Euro, wie der Schatzmeister der Front National bestätigte. Der Kredit kam von der im Westen kaum bekannten Bank FCRB – sie soll mehrheitlich dem russischen Oligarchen Gennadi Timtschenko gehören, der zum engsten Umfeld von Präsident Wladimir Putin zählt.

In Russland gibt es nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung offenbar ähnliche Überlegungen hinsichtlich der AfD: Banken „aus dem Geheimdienstumfeld“ könnten der Partei ein Darlehen anbieten – oder sie könnte beim Handel mit Gold unterstützt werden, heißt es demnach in einem Strategiepapier eines russischen Forschungsinstituts. Man könnte dies als Planspiel unterforderter Kreml-Berater abtun, gäbe es nicht den russischen Kredit für den Front National. Die kremlfreundlichen Stimmen aus der AfD werden in Moskau auf jeden Fall sehr genau registriert.

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