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Die Kanzlerin Angela Merkel steht ein Jahr vor der Bundestagswahl in den Umfragen sehr gut da.

© dpa

Hauptsache effizient: Angela Merkel erklärt ihren Kurs in der Eurokrise

Geschickt verteidigt Angela Merkel ihre Politik der kleinen Schritte. Ein Jahr vor der Wahl weiß die „Eiserne Kanzlerin“ ganz offensichtlich, wo es langgeht und was gerade getan werden muss.

Von Antje Sirleschtov

Dass es am Ende eben doch um nichts anderes als die Macht geht, ihre Macht, das ließ Angela Merkel an diesem Montag nur für einen einzigen Augenblick durchblicken. Wo denn ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen dem großkoalitionären Regieren mit der SPD und dem mit der FDP liege, wurde die Kanzlerin gefragt. Worauf Merkel ohne lange zu überlegen sagte, bei der großen Koalition habe man es mit einem Partner zu tun, der ebenfalls den Kanzler stellen wolle, während das bei der FDP offenbar keiner im Sinn hat. Denn, so Merkel: „Herr Rösler ist gerne Vizekanzler“, was sie auch gut verstehen könne.

Fast neunzig Minuten hat sich die Kanzlerin an diesem Vormittag Zeit genommen, um den Hauptstadtjournalisten ihre Politik zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Woche zuvor den Europäischen Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt, für den sie hart gekämpft hatte, für verfassungsgemäß erklärt, ihre Umfragewerte und die ihrer CDU sind ein Jahr vor der Bundestagswahl glänzend und von einer schweren Rezession in Deutschland mit hoher Arbeitslosigkeit und Zukunftsängsten ist trotz Eurokrise weit und breit nichts zu sehen. Mit Bedacht hatten Merkels Berater diesen Termin für die alljährlich stattfindende Veranstaltung ausgesucht, und selten sah man diese Kanzlerin bei einem ihrer Besuche in der Bundespressekonferenz so aufgeräumt und selbstgewiss. Ob Eurokrise, Energiewende oder Rentendebatte: Worauf Angela Merkel auch immer angesprochen wird, sie weiß meist bis ins Detail, worum es geht, hat bereits Gespräche mit allen vereinbart, die es angeht, und weist im Übrigen darauf hin, dass niemand mit raschen oder gar endgültigen Lösungen rechnen solle.

Politik als Schnitzeljagd: Merkels schwarz-gelbe Koalition scheint sich seit drei Jahren auf dem Weg von einer Waldstation zur nächsten zu befinden, und überall gilt es die gerade anstehende Aufgabe möglichst effizient zu lösen. Von drei Treffen noch in diesem Winter mit den Regierungschefs der Euroländer berichtet sie, einem Sondergipfel mit den Ministerpräsidenten zur Energiewende und Anfang Oktober findet noch ein Demografiegipfel statt, bei dem die Kanzlerin ein wenig auch über „künftige Altersarmut“ sprechen will. „Nichts geht mit einem Paukenschlag“, erklärt Merkel ihre Art, Politik zu machen. Keine großen Linien, keine weiten Visionen, Ursula von der Leyens „Zuschussrente“ wird zum Unterkapitel der gesellschaftlichen Alterung. Stattdessen macht Angela Merkel ein Schrittchen nach dem anderen. So verschreckt man niemanden und hat in jedem Moment die Möglichkeit, nach- oder umzusteuern. Mit der Feststellung „ich bin davon überzeugt“, beginnt die Bundeskanzlerin an diesem Montag auffällig viele ihrer Sätze. So schafft man zudem Vertrauen. Die mächtigste Frau der Welt weiß ganz offensichtlich, wo es langgeht und was gerade getan werden muss.

Europapolitik liegt im Trend.

Und dann „erklärt“ die Regierungschefin, der man so oft vorgeworfen hat, sie betreibe Politik in Hinterzimmern, an diesem Montag auch noch auffällig oft auffällig viel. Dem bayerischen Ministerpräsidenten zum Beispiel die Funktionsfähigkeit des Euro-Rettungsschirmes und der Öffentlichkeit ihre Auffassung von der Zukunft Europas. Dass es um Vertrauen geht und darum, die Mechanismen, die die europäischen Länder zusammenhalten, funktionsfähiger zu machen, damit sie funktionieren. Europa, sagt Merkel, „ist mehr als nur eine Währungsunion“. Europa und der Euro müssten gesunden, damit der Kontinent mit anderen Kräften auf der Welt mithalten könne, seine freiheitliche Grundordnung verteidigen und seine Waren erfolgreich in alle Welt exportieren könne. „Reformen lohnen sich“, begründet Merkel ihr Credo des Schuldenabbaus und der Effizienzsteigerung. Das „erkläre“ sie immer, wenn sie gefragt werde, sagt Merkel. Und „manchmal“ werde sie sogar verstanden.

Ins achte Jahr ihrer Regentschaft geht Merkel nun, und seit 2008 – seit fünf Jahren also – versucht sie das Land vor den Auswirkungen der verschiedenen Stürme zu beschützen, die durch die internationalen Finanzmärkte jagen. Seither war sie „Eiserne Kanzlerin“, wurde für ihre Geradlinigkeit bewundert, aber auch mit Adolf Hitler verglichen und wegen ihrer Härte gescholten.

Wer ihr jetzt genau zuhört, trifft auf eine Kanzlerin, die längst den Niederungen der deutschen Innenpolitik entstiegen zu sein scheint. Europa nicht nur aus dieser Krise herauszuführen, sondern auch noch ihren Stempel von Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit aufgedrückt zu haben, das treibt Merkel ganz offensichtlich an. Und das hat sie auch an diesem Montag ausgestrahlt. Kaum ein Journalist, auch unter den wenigen deutschen Fragestellern, wollte mit der Kanzlerin über Rentenformeln, Betreuungsgeld oder die Praxisgebühr sprechen. Weit mehr interessierten ihre Haltung zu Europa, der Europäischen Zentralbank, zum Steuerabkommen mit der Schweiz, chinesische Wettbewerbsregeln und mögliche Auswirkungen der deutschen Energiewende auf Japan.

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