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Politik: Hauptsache Nebenthema

Union und SPD liegen in der Zuwanderungspolitik deutlich auseinander. Das wollen alle nochmal sagen dürfen

Von Robert Birnbaum

und Markus Feldenkirchen

Günther Beckstein muss erst einmal zwei Vorbemerkungen machen. Erstens, sagt Edmund Stoibers Kompetenzmann fürs Innere, ändere sein Auftritt nichts an der „generellen Strategie“ des Unionswahlkampfs. Zweitens: Wer meine, dass die Union einen Strategiewechsel vornehme, der liege falsch. Das ist zwar genau genommen nur eine Vorbemerkung, aber die Union kann es im Moment gar nicht oft genug sagen: Dass der bayerische Innenminister, flankiert vom Saar-Ministerpräsidenten Peter Müller, sechs Tage vor der Wahl plötzlich dringend eine Pressekonferenz über Zuwanderung abhalten muss – das habe nichts, aber auch gar nichts mit einem Versuch zu tun, den miesen Umfragetrend mit einem Stimmungsthema zu wenden. Stoiber hat das schon versichert, CDU-Chefin Angela Merkel auch, und jetzt also Beckstein: Hauptthema sei und bleibe das „totale Versagen“ der Regierung in der Wirtschaftspolitik – Zuwanderung hingegen sei nur ein „1b-Thema“.

Der amtierende Innenminister Otto Schily hat bei diesen Vorbemerkungen entweder nicht zugehört oder er will „dem Kollegen Beckstein“ nicht recht glauben. Dessen spontan einberufene Pressekonferenz zur Zuwanderung bezeichnet er auf seiner noch spontaner einberufenen Gegen-Pressekonferenz als den „kläglichen Versuch, eine bevorstehende Niederlage abzuwenden“. In der SPD-Wahlkampfzentrale Kampa hatten sie das ganze Wochenende lang gegrübelt, wie man den Unionsangriff am besten kontern könne. Also muss Schily vor die Kameras, „obwohl ich eigentlich nicht vorhatte, Sie heute mit einer PK zu behelligen“, wie der Minister betont. Nun muss er Punkt für Punkt durchgehen, um zu zeigen, dass die Kritik der Kollegen Beckstein und Müller entweder „schlicht falsch“ oder aber „die schlichte Unwahrheit“ ist. Dafür hält er ab und zu selbstgeklebte Grafiken nach oben, aus denen hervorgeht, dass die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland in diesem Jahr den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre erreichen wird. Parallel zu Schily spricht der SPD-Generalsekretär Franz Müntefering von „Feuer unter dem Dach“ der Union. Die sinkenden Umfragewerte im Blick, verlören Politiker wie Beckstein offenbar jede „Scham“, selbst Argumente des Rechtspopulisten Schill aufzugreifen. Und die Hamburger Sozialdemokraten teilen mit, dass der Touristikunternehmer Vural Öger aus Protest gegen die „wahrheitswidrigen Behauptungen“ von Stoiber zur Zuwanderung der SPD beigetreten sei: „Ein kluger Mensch.“

Dabei ist es mit der besagten Vorbemerkung der Unionspolitiker eigentlich auch schon getan. Beckstein und Müller verkünden nichts Neues. Sie haben die bekannten Kritikpunkte der Union am rot-grünen Zuwanderungsgesetz untereinander- und als Überschrift „Sieben-Punkte-Sofortprogramm“ darüber geschrieben. Der Bayer dekliniert die Details: Dass etwa die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, Ausländer nach einem Punkte-System auch ohne konkreten Arbeitsplatz ins Land zu holen, gestrichen gehöre, und dass das Gesetz mindestens 100 000 Zuwanderer mehr bedeute.

Schily erinnerte an eine Aussage des Kollegen Müller: „Das Boot ist nicht voll. Das Boot wird immer leerer“, hatte Müller einst gesagt. Damals, als noch kein Wahlkampf war.

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