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Schock. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht rechtzeitig auf eine Anhebung der Kreditgrenze, steigen die US-Schulden am 2. August über 14,294 Billionen Dollar. Foto: pa/dpa

© picture-alliance/ dpa

Haushaltskrise in den USA: Drohende USA-Pleite bedroht Weltwirtschaft

Kursstürze, Preiserhöhungen: Wenn die USA in die Pleite rutschten, wären die Folgen kaum absehbar. Viel Zeit bleibt den streitenden Demokraten und Republikanern nicht mehr.

Der Kollaps ist noch etwas mehr als drei Milliarden Dollar entfernt. Dann sind die Konten der US-Regierung endgültig leergeräumt und das Gesetz verbietet ihr, frische Kredite aufzunehmen. Das bedeutet: Amerika würde in die Staatspleite rutschen, wäre zahlungsunfähig – und das noch eher als Griechenland. Die Folgen wären kaum absehbar, würden weit über die Vereinigten Staaten hinaus Chaos und Verwerfungen anrichten. „Dann gerät alles aus den Fugen“, befürchtet der US-Ökonom Michael Burda, der an der Humboldt-Universität lehrt. „Es ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Die Szenarien, die Wirtschaftsforscher von den Folgen eines Staatsbankrotts zeichnen, könnten düsterer kaum sein. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht noch rechtzeitig auf eine Anhebung der Kreditgrenze, steigen die US-Schulden am 2. August über 14,294 Billionen Dollar. Der Puls der größten Volkswirtschaft der Welt, die trotz ihrer momentanen Schwäche entscheidend ist für die globalen Waren-, Dienstleistungs- und Finanzmärkte, würde ins Stocken geraten. Nicht einmal Nordkorea könnte sich davon abkoppeln.

Zunächst müssten die rund 70 Millionen Rentner, Behinderte, Veteranen und andere Bedürftige in den USA damit rechnen, dass der monatliche Hilfsscheck aus Washington ausbliebe. „Wenn wir keine Lösung finden, kann ich nicht garantieren, dass diese Schecks am 3. August rausgehen“, hat Präsident Barack Obama bereits gedroht. Löhne für Regierungsangestellte werden dann nicht mehr fließen. Auch Zuschüsse etwa für das Gesundheitssystem stehen auf der Streichliste, räumt das Finanzministerium freimütig ein. Denn die Regierung dürfte bestrebt sein, ihre Ausgaben rasch drastisch zu senken. Um jeden Preis wird sie versuchen, ihre Verbindlichkeiten bei in- und ausländischen Geldgebern weiter zu bedienen. Fraglich ist, ob das lange reichen wird – von 100 Dollar, die die US-Regierung derzeit ausgibt, nimmt sie nur 60 Dollar über Steuern ein. Den Rest muss sie sich borgen. Sicher ist aber, dass ein kurzfristiges radikales Sparprogramm der Binnennachfrage schwer schaden dürfte.

Allerdings gibt es noch ein paar Geldtöpfe, die US-Finanzminister Tim Geithner anzapfen könnte. Notverkäufe von Firmen, die der Staat in der Krise 2009 übernommen hat, könnten Abhilfe schaffen. Dann gibt es da noch einen 50-Milliarden-Dollar-Fonds, der gedacht ist zur Stabilisierung der Währungskurse, der sich anzapfen ließe. Vielleicht brächte dies ein paar Tage Ruhe. Finden Republikaner und Demokraten dann noch immer nicht zueinander, wird es wirklich ernst. Vergangene Woche haben die Ratingagenturen Moody’s und Standard&Poor’s bereits damit gedroht, die Top-Bonitätsnote der USA umgehend zu senken, sollte es keine rechtzeitige Einigung geben. Damit würden sie den Startschuss für weltweite Turbulenzen an den Finanzmärkten geben. China, Amerikas größter Gläubiger im Ausland, ist darob nervös wie lange nicht.

Lesen Sie mehr im zweiten Teil.

Denn die USA nehmen weltweit eine Sonderstellung ein. Sie besitzen eine enorme Wirtschaftskraft, zudem haben sie über 200 Jahre lang stets ihre Schulden pünktlich bedient. Und der Dollar ist die weltweite Leitwährung, er steht wie ein Symbol für das System Amerika. Deshalb legen viele Investoren ihr Geld in US-Staatsanleihen an, bis dato 9,2 Billionen Dollar. Obwohl die Gesamtverschuldung die Höhe der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht hat, muss die Nation wegen ihres guten Rufes nur minimale Zinsen zahlen. Nicht einmal der Schuldenstreit der vergangenen Tage hat daran etwas geändert. „Die Politik würde ohne Not das unglaubliche Vertrauen der Welt in Amerika aufs Spiel setzen“, sagt Wirtschaftsprofessor Burda. Dabei fürchtet die Finanzwelt schon eine Pleite des mit 350 Milliarden Dollar verschuldeten Griechenland – verglichen mit den US-Anleiheschulden „eine Rundungsdifferenz“, spotten Volkswirte der Commerzbank in einer Studie.

Fällt das Rating der US-Papiere, werden einige ausländische Investoren die Finger von ihnen lassen. Um sich weiterhin Geld zu besorgen, müsste Washington höhere Zinsen anbieten – was den Etat zusätzlich belasten würde. Damit nicht genug. US-Papiere gelten überall auf der Welt als verlässliche Sicherheiten. Banken etwa hinterlegen sie, um sich im Gegenzug Geld zu leihen. Papiere, die von Moody’s und Co. aber nicht mit Top-Noten bedacht werden, gelten nicht als sicheres Pfand. Und Pensionsfonds und Versicherungen, die ihr Kapital in extrem sicheren Anlagen parken müssen, wären sogar per Gesetz zum sofortigen Verkauf verpflichtet.

Kurz: Alle Welt würde versuchen, US-Staatsanleihen zu verkaufen. „Ein Tsunami“, sagt Burda trocken. Die Anleihen sinken im Wert, jede Bank rund um den Globus müsste horrende Summen abschreiben, viele gerieten erneut in eine Schieflage. Binnen kurzer Zeit würde zudem der Dollar massiv an Wert verlieren. Steigende Preise in den USA wären die Folge. Und ein in die Höhe schießender Euro-Kurs – „das letzte, was die Schuldenländer Europas jetzt gebrauchen können“, urteilt Burda.

Für das viele Geld, das noch in Amerika geparkt ist, müssten sich die Besitzer eine neue Verwendung überlegen. Rohstoffe bieten sich an. Die Konsequenz: steigende Preise nicht nur für Gold, auch für Öl, Weizen oder Stahl. Ein zusätzlicher Hemmschuh für die Weltkonjunktur, gerade für die deutschen Exportunternehmen. Heftige Kursstürze an den internationalen Börsen wären ohnehin garantiert – in unbekanntem Ausmaß. „Die modernen Finanzderivate verstärken die Krise wie ein Brandbeschleuniger, das hat schon die Lehman-Krise gezeigt“, gibt Burda zu bedenken.

An Warnungen vor dem Schuldenchaos mangelt es nicht. „Katastrophale Folgen“ sieht US-Notenbank-Chef Ben Bernanke kommen, „einen sehr schweren Finanzschock mit Auswirkungen auf die Wirtschaft der USA und der ganzen Welt“, orakelte er dieser Tage. Die Schuldenuhren zeigen sich von derlei Drohungen unbeeindruckt. Allein in den vergangenen fünf Minuten, die zur Lektüre dieses Textes nötig waren, sind die Verbindlichkeiten Amerikas um gut 300 000 Dollar gestiegen – die Obergrenze ist wieder ein Stück näher gerückt.

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