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Haushaltslöcher: SPD und Union wollen harte Einschnitte

Angesichts immer neuer Haushaltslöcher stimmen Union und SPD die Bürger auf "schmerzhafte Eingriffe" ein. Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent wird nicht mehr ausgeschlossen.

Berlin - Die aktuelle Prognose der Steuerschätzer ist allenfalls für Länder und Kommunen ein kleines Trostpflaster. Die für dieses und nächstes Jahr erwarteten Mehreinnahmen von insgesamt 3,8 Milliarden Euro kommen vor allem den Städten und Gemeinden zugute. Beim Bund dagegen muss 2006 ein zusätzliches Etatloch von 800 Millionen Euro gestopft werden.

Die Koalitions-Arbeitsgruppe Finanzen war am Freitagnachmittag unter Vorsitz von Unions-Verhandlungsführer Roland Koch (CDU) erneut zu Beratungen zusammengekommen. Konkrete Festlegungen wurden nicht erwartet. Der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) fehlte. Koch bekräftigte vor den Gesprächen, zunächst müssten SPD und Union bei den Ausgaben ansetzen. Es sei aus seiner Sicht schwierig, wenn zunächst über Einnahmeverbesserungen nachgedacht werde und erst dann über ein wenig «Alibi-Sparen».

Meldungen über drohende Haushaltslöcher beim Bund in Höhe von 70 Milliarden Euro nannte Koch übertrieben. Unterhändler beider Seiten hatten zuvor bestätigt, dass die bisherigen Vereinbarungen der 16 anderen Koalitions-Arbeitsgruppen zu Mehrkosten von 35 Milliarden Euro führen würden. Sollten Beschlüsse etwa der Wirtschafts-, Sozial- und Familienpolitiker ohne Abstriche umgesetzt werden, müsste im Jahr 2007 eine Haushaltslücke beim Bund von bis zu 70 Milliarden Euro gestopft werden. Laut Koch sind diese Zahlen aber eine bloße Addition von Wünschen. Es bestehe weiter «nur» ein Konsolidierungsbedarf von 43 Milliarden Euro - 35 plus acht Milliarden für Wachstumsimpulse.

Der designierte SPD-Chef Matthias Platzeck rechnet mit einem scharfen Sparkurs. «Es wird harte Einschnitte geben», sagte der brandenburgische Ministerpräsident. Deutschland müsse wieder «zukunftsfähig» werden. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) warnte vor vorschnellen Festlegungen auf Steuererhöhungen. «Wir müssen noch stringenter die Subventionen durchgehen», sagte der SPD-Vize. Erst danach könne man über Steuerfragen reden.

Dem Nachrichtensender N24 sagte Platzeck auf die Frage, ob die Mehrwertsteuer möglicherweise auf 20 Prozent angehoben werden müsse: «Ich kann im Moment nichts ausschließen.» Unter den Koalitionären galt zuletzt - trotz aller Dementis - eine Anhebung von 16 auf 18 Prozent als nahezu beschlossene Sache. Eine Erhöhung um einen Prozentpunkt bedeutet Mehreinnahmen von etwa acht Milliarden Euro. Auch Beck hält eine Mehrwertsteuererhöhung für kaum vermeidbar. «Ich fürchte, es wird dazu kommen. Es muss allerdings nicht jetzt sein.»

Nach Ansicht von EU-Währungskommissar Joaquín Almunia ist die angehende Koalition «besorgt» über die Lage der Staatsfinanzen. «Ich fand, dass die neue deutsche Regierung angesichts der Ernsthaftigkeit der finanziellen Lage besorgt ist und die Staatsfinanzen wieder in Ordnung bringen will», sagte Almunia in Brüssel nach Gesprächen mit Steinbrück und der designierten Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Arbeitskreis Steuerschätzung erwartet für den Gesamtstaat gegenüber der Mai-Schätzung für 2005 Mehreinnahmen von 2,9 Milliarden Euro und für 2006 von 0,9 Milliarden. Damit wurde erstmals seit dem Jahr 2000 eine Prognose wieder nach oben korrigiert. Der Etat des Bundes wird in diesem Jahr zwar um 1,3 Milliarden entlastet. Für 2006 müssen sich SPD und Union aber auf Steuermindereinnahmen von 0,8 Milliarden Euro einstellen. Hier schlagen die reduzierte Wachstumsprognose sowie weniger Mineralölsteuereinnahmen zu Buche.

Nutznießer sind vor allem die Kommunen, die von sprudelnden Unternehmensgewinnen und damit mehr Einnahmen aus der Gewerbesteuer profitieren. Sie können mit einem Plus von 1,8 Milliarden Euro in diesem Jahr und 1,4 Milliarden im Jahr 2006 rechnen. In die Länderkassen fließen voraussichtlich 1,2 beziehungsweise 0,5 Milliarden Euro mehr Steuern als in der Mai-Schätzung prognostiziert. (tso/dpa)

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