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Politik: Heidemarie Wieczorek-Zeul im Interview: "Die EU muss ihren Agrarprotektionismus aufgeben"

Die Zukunft der 49 am wenigsten entwickelten Länder (LDC) steht im Mittelpunkt einer UN-Konferenz, die bis Sonntag in Brüssel tagt. Letztes Jahr hatten die Vereinten Nationen auf ihrem Millenniumsgipfel in New York beschlossen, den Anteil extremer Armut bis 2015 zu halbieren.

Die Zukunft der 49 am wenigsten entwickelten Länder (LDC) steht im Mittelpunkt einer UN-Konferenz, die bis Sonntag in Brüssel tagt. Letztes Jahr hatten die Vereinten Nationen auf ihrem Millenniumsgipfel in New York beschlossen, den Anteil extremer Armut bis 2015 zu halbieren. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (58) leitet auf der Brüsseler Konferenz eine Arbeitsgruppe zur Frage, wie Anreize für privatwirtschaftliche Direktinvestitionen geschaffen werden können.

Die Zahl der ärmsten Länder der Welt hat sich in den vergangenen dreißig Jahren verdoppelt. Die Programme zur Armutsbekämpfung waren offensichtlich nicht sehr effektiv.

Man übersieht leicht, dass enorme Fortschritte gemacht wurden. Die Produktion von Nahrungsmitteln wurde in den Entwicklungsländern pro Kopf um ein Viertel gesteigert. Knapp zwei Drittel der Menschen haben mittlerweile Zugang zu sauberem Wasser, 1990 war es nicht einmal die Hälfte.

Warum ist die Armut dennoch angestiegen?

Die Entwicklungshilfe kann natürlich nicht die Schäden der Finanzkrisen in Lateinamerika oder Asien reparieren, die Millionen Menschen zusätzlich in Armut getrieben haben. Außerdem waren die Auflagen des Internationalen Währungsfonds falsch. Viele Länder mussten ihre Haushalte zusammenstreichen und dabei Bildungs- und Gesundheitsbudgets kürzen. Dadurch wurde die Armut noch verschärft.

Was empfehlen Sie stattdessen?

Wir haben die Politik von Weltbank und IWF gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern verändert. Notwendig ist aber, dass auch Folgendes beachtet wird: Ein Großteil der 49 LDC-Länder hat keine diversifizierte Wirtschaft und liefert lediglich Rohstoffe. Der Preis der Rohstoffe sinkt aber ständig, es sei denn, es handelt sich um Öl. Gleichzeitig steigen die Preise für die fertigen Produkte, die die Entwicklungsländer importieren müssen. Deshalb dränge ich darauf, dass die Welthandelsorganisation und die EU-Agrarpolitik dazu beitragen, dass diese Länder die Chance erhalten, ihre Rohstoffe selbst verarbeiten und exportieren zu können.

Welche konkreten Ziele verfolgt die Brüsseler Konferenz?

Mehr Gerechtigkeit im Welthandel. Die LDC-Länder müssen freien Zugang zu den internationalen Märkten bekommen, und der EU-Agrarprotektionismus muss abgebaut werden. Es kann nicht sein, dass mit Steuergeldern landwirtschaftliche Produkte subventioniert werden, die dann weltweit den Entwicklungsländern Konkurrenz machen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Direktinvestitionen vertärkt auch in die ärmsten Länder fließen. Bisher konzentrieren sich die Investitionen auf zehn bis zwölf Schwellenländer.

Wäre die Zollfreiheit für Produkte aus LCD-Ländern eine Lösung?

Das ist das Wichtigste. Die EU hat vor kurzem eine Initiative unter dem Namen "Alles außer Waffen" gestartet. Danach können in Zukunft alle Produkte aus den am wenigsten entwickelten Ländern zoll- und quotenfrei in die EU eingeführt werden. In Brüssel wollen wir auch andere Industriestaaten wie die USA, Kanada oder Japan davon überzeugen, dass sie sich dieser Vereinbarung anschließen. In der bestehenden Welthandelsordnung ist ja schon per se eine Benachteiligung der Entwicklungsländer angelegt. Auf verarbeiteten Produkten liegen höhere Zölle. Das drängt die Entwicklungsländer in die Rolle der Rohstoffexporteure. Das ist ein Teufelskreis, der endlich durchbrochen werden muss.

Die Zahl der ärmsten Länder der Welt hat

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