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Heinz Buschkowsky hat seinen Rückzug angekündigt.

© dpa

Heinz Buschkowsky und Co.: Politiker mit Kante werden seltener

Der Politik fehlt es an Schärfe, den Politikern an Profil. Gegensätze und ihre Verfechter gehen immer mehr verloren - vor allem in Zeiten einer großen Koalition. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Wieder einer weniger. Mit dem Rückzug von Heinz Buschkowsky aus der Berliner Politik wird es im öffentlichen Streit darüber, wie wir miteinander leben wollen, wieder etwas milder zugehen, etwas weniger konfrontativ, etwas weicher. Buschkowsky war ein Kanten-Typ, wie Gerhard Schröder ein paar Etagen höher, wie der böse, böse Thilo Sarrazin irgendwo dazwischen. Wir leben längst in Zeiten und im Zeichen der Raute. Der Streit darüber, wie wir leben wollen – genau das ist Politik –, hat an Schärfe verloren, in Zeiten einer großen Koalition sowieso. Vor allem aber hat dieser Streit seine Schärfe verloren, weil ihm die Gegensätze und ihre Verfechter abhandengekommen sind. Schröder sagte mal „Basta“, Schröder hatte eine Agenda. Heute lassen wir Mutti mal machen.

Wie bitte? Gegensätze weg? Konfrontation vorbei? Streit ohne Schärfe? Eine Partei namens AfD, die rechts von der CDU an Gewicht gewinnt? Mal montags, mal sonntags marschieren Massen von Menschen auf, andere marschieren dagegen oder blockieren, die einen gegen Ausländer und Einwanderer, die anderen dafür – und da soll es keine Kanten mehr geben in der Politik?

Das Problem der schroffen Gegensätze

Bisher sind die Pegida-Bewegungen und die zahlenmäßig überlegenen Gegendemonstranten-Bewegungen nichts anderes als Ausdruck einer Emotion. Die einen fühlen sich überfremdet, die anderen halten dieses Gefühl für ausländerfeindlich und demonstrieren für Weltoffenheit. Ist das schon Politik? Beweist das schon die Rückkehr zur harten Konfrontation über das, was für dieses Land gut oder schlecht ist?

Vor allem beweist es, wie wenig wir schroffe Gegensätze überhaupt noch auszuhalten bereit sind. Das ist die kurzfristige Nebenwirkung der großen Koalition und die langfristige Nebenwirkung einer Politik, die seit vielen Jahren ohne große Ansagen auskommen will. Die Bundeskanzlerin mag im Argumentieren unter Fachleuten für ihre Politik Respekt über alle Parteigrenzen erworben haben. Ihr braves Wahlvolk ist darüber in einen wohligen politischen Halbschlaf gesunken, der neuerdings von schlechten Träumen durchzuckt wird. Deswegen verwechseln wir die Pegida-Aufregung – all das Bemühen um Aufklärung, was diese mittelalten gefrusteten Männer, die die Bewegung tragen, denn eigentlich wollen – mit Politik.

Politik ist komplex

Aber Politik ist ein bisschen mehr, ein bisschen komplexer als emotionale Aufregung. Der Ansage eines Schröder, Stichwort Agenda 2010, ging die Analyse eines scheiternden Sozialsystems voraus. Der Ansage eines Helmut Schmidt, Stichworte Nato-Doppelbeschluss und Nachrüstung, ging die Analyse einer sicherheitspolitischen Bedrohung voraus, die über Jahre zugenommen hatte. Der Ansage eines Willy Brandt, Stichwort Wandel (in der DDR) durch Annäherung, ging die Analyse einer Verhärtung der innerdeutschen Fronten voraus, die Brandt aufbrechen wollte und – auf lange Sicht – konnte.

Politik kann etwas durchsetzen oder alle miteinander versöhnen wollen. Man könnte spotten: Die drei Ansager haben über ihre Ansagen die Macht verloren. Man kann ergänzen: Die moderierend- machtvoll regierende Kanzlerin hat jüngst die Ansage für sich entdeckt: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Nun wartet das Volk gespannt darauf, den tieferen Sinn des Satzes erklärt zu bekommen.

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