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Schuldenkrise: Heißer Herbst in Hellas

Die Griechen wehren sich gegen das neue Sparpaket – und die Regierung in Athen fürchtet um ihre Mehrheit.

Lefteris Papasimeon hat an diesem Donnerstagmorgen alles richtig gemacht. Um dem Stau in der Athener Innenstadt zu entgehen, ist er rechtzeitig aufgestanden, hat sich ins Auto gesetzt und ist zu seinem Uhrengeschäft in der Nähe des Syntagma-Platzes gefahren. Jetzt ist der 34-Jährige rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz und hat sogar noch Zeit für ein Schwätzchen, während andere Athener an ihm vorbeihetzen. Er findet es richtig, dass an diesem Tag keine Busse und U-Bahnen fahren, und dass auch die Taxifahrer wieder einmal in den Ausstand getreten sind. „Die Streikenden haben meine hundertprozentige Unterstützung“, sagt Lefteris Papasimeon.

Der 34-Jährige lebt noch bei seinen Eltern, „das ist das Verdienst dieser glorreichen griechischen Regierung“, sagt er. 1000 Euro im Monat verdient er netto, und im vergangenen Monat hat er gleich dreimal Post vom griechischen Staat bekommen. Bis Ende September soll er 1200 Euro Steuern extra zahlen. Wie soll er das machen? Bis jetzt hat er nicht an Demonstrationen gegen den harten Sparkurs der Regierung teilgenommen. „Jedes Mal, wenn eine Demonstration angekündigt war, musste ich ja arbeiten“, erzählt er. Aber das wird sich demnächst ändern. „Ich glaube, dass ich bei den Protesten ab jetzt dabei bin“, sagt er.

In der griechischen Bevölkerung kocht die Wut angesichts der neuen Sparpläne, die die Regierung am Mittwoch nach einer siebenstündigen Kabinettssitzung bekannt gab. Die Wut richtet sich vor allem gegen die sozialistische Regierungspartei Pasok, aber auch die größte Oppositionspartei Nea Dimocratia bekommt ihr Fett weg. Lefteris Papasimeon ist in seinem Leben noch nie wählen gegangen, aber auch das soll sich jetzt ändern. Wem er bei der nächsten Wahl seine Stimme geben wird, ist noch nicht klar, aber eines ist sicher: Die großen Parteien Pasok und Nea Dimocratia, die den Staat jahrzehntelang unter sich aufgeteilt haben, bekommen keine Unterstützung von dem 34-Jährigen.

„Gnadenlos“ sei das neue Sparpaket, schreibt die Zeitung „Eleftheros Typos“. Es umfasst Renten- und Gehaltskürzungen sowie höhere Einkommensteuern: der erst kürzlich von 12 000 auf 8000 Euro gesenkte Grundfreibetrag wird nun auf 5000 Euro gestutzt. Dadurch verringern sich die Bezüge eines Rentners, der bisher 750 Euro im Monat bekam, auf 717 Euro. 30 000 Staatsdiener werden freigestellt und erhalten ein Jahr lang nur noch 60 Prozent ihres Gehalts. Danach werden sie voraussichtlich in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das ist eine böse Überraschung für die Betroffenen, denn bisher wähnten sich Staatsbedienstete in Griechenland unkündbar. Und vielleicht ist das erst der Anfang: Finanzminister Evangelos Venizelos deutete bereits an, dass womöglich weitere Einschnitte nötig werden, um das Land vor dem drohenden Zusammenbruch zu bewahren – Maßnahmen, „die schmerzhaft sein werden“.

Dessen ungeachtet fordern die Gewerkschaften eine Abkehr vom Sparkurs. Für den Oktober haben sie bereits zwei Generalstreiks angekündigt. Es dürfte nicht bei Arbeitsniederlegungen bleiben. Viele Beobachter fürchten einen „heißen Herbst“. Denn bereits im Frühsommer gab es in Athen am Rande von Protestkundgebungen schwere Ausschreitungen, in deren Verlauf hunderte Menschen verletzt wurden.

Angesichts des Drucks aus der Bevölkerung hat auch die Regierungspartei Pasok alle Mühe, sämtliche Abgeordnete im Parlament hinter sich zu scharen. Seine Partei würde die Bürde der Macht gerne teilen, sagte der frühere Finanzminister Giorgos Papakonstantinou am Donnerstag, aber wegen der unterschiedlichen Auffassungen über den Sparkurs sei das mit der Opposition nicht zu machen.

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