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Politik: Helden im Irrtum

Warum sich Amerika nun von dem irakischen Politiker Ahmed Chalabi abwendet

Könnte es ein raffinierter Trick sein? Der Liebling des Pentagon im Irak, Ahmed Chalabi, wurde gedemütigt. Polizisten und Geheimdienstler stürmten sein Haus in Bagdad. Bei der Razzia ging vieles zu Bruch. Kurz zuvor waren seiner Organisation, dem Irakischen Nationalkongress (INC), monatliche Zahlungen der USRegierung in Höhe von 335 000 Dollar gestrichen worden. Wie eine heiße Kartoffel haben sie Chalabi fallen gelassen.

Doch wer überall Intrigen wittert, könnte auch hinter der Aktion gegen den Mann, der den Irakkrieg propagiert hatte wie kein anderer, ein abgekartetes Spiel vermuten. Nun kann er sich als Märtyrer stilisieren, als irakischer Patriot, kann durch antiamerikanische Brandreden seine Popularität vergrößern. Bislang galt Chalabi im Irak als Marionette Washingtons. Jetzt halten nur noch seine engsten Freunde und Fürsprecher in Washington zu ihm, darunter der Kriegstreiber Richard Perle. Alle anderen schweigen entweder beschämt oder machen aus ihrer Genugtuung über die Aufkündigung der unheilvollen Allianz kein Geheimnis.

Im Außenministerium und beim Geheimdienst CIA galt Chalabi längst als Persona non grata. Ein Windhund und Aufschneider sei er, der in Jordanien wegen krummer Geschäfte verurteilt worden war. Ein Demagoge, der es geschickt verstanden hatte, einen wichtigen Teil der amerikanischen intellektuellen Elite um den Finger zu wickeln. Dazu zählten die Neokonservativen ebenso wie Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Was Chalabi ihnen einflüsterte, redeten sie ihm nach: angefangen von der akuten Bedrohung durch Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen bis hin zur Dankbarkeit des irakischen Volkes, das die US-Truppen als Befreier empfangen würde. Entscheidende Passagen der berühmten Präsentation von Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat, in der er die Existenz mobiler irakischer Waffenlabore nachweisen wollte, beruhten offenbar auf absichtlichen Fehlinformationen eines Vertrauten von Chalabi. Er hat sie alle an der Nase herumgeführt. Noch vor vier Monaten, als Präsident George W. Bush im Kongress seine Rede an die Nation hielt, durfte sich Chalabi auf den Ehrenplatz hinter Laura Bush setzen. Einen Monat später wollte der „Daily Telegraph“ von ihm wissen, warum sich keine seiner Prophezeiungen erfüllt habe. „Wir sind Helden im Irrtum“, antwortete Chalabi, aber das sei jetzt egal. „Schließlich waren wir total erfolgreich. Der Tyrann Saddam ist weg, und die Amerikaner sind in Bagdad. Was vorher gesagt wurde, ist unwichtig.“ Später behauptete Chalabi, er sei falsch zitiert worden, doch das glaubte man ihm nicht mehr.

Chalabi gelang der Durchbruch 1998, als einige einflussreiche Konservative einen offenen Brief an Präsident Bill Clinton schrieben. Zu den Unterzeichnern gehörten Konservative, die wenig später an die Macht gelangten, darunter Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Douglas Feith, Richard Armitage, Elliott Abrams. Sie forderten, dass ein Regimewechsel in Bagdad zur offiziellen US-Politik erklärt werde. Der INC, hieß es weiter, sei die „Repräsentation des irakischen Volkes“.

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