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Politik: Helfen ohne Haftung

Die Vereinten Nationen suchen ihre Rolle im Krieg

Von Barbara-Maria Vahl,

New York

Die Vereinten Nationen sollen wieder eine Rolle spielen – zumindest bei der Hilfe für die irakische Bevölkerung. Am Donnerstag wird der UN-Sicherheitsrat über eine neue Resolution entscheiden, die regelt, wie unter Kriegsbedingungen die humanitäre Hilfe fortgesetzt werden kann. Sie ist offenbar auf 45 Tage befristet und stellt klar, dass ab sofort Lastwagen mit für den Irak bestimmten Gütern auch außerhalb der Landesgrenzen von UN-Personal kontrolliert werden dürfen und dass geflüchtete Iraker auch in Nachbarländern ein Anrecht auf ihre Rationen haben.

Bisher war durch das UN-geführte „Öl- für-Lebensmittel“-Programm die Versorgung der irakischen Zivilbevölkerung sichergestellt worden. 60 Prozent der Menschen haben keine zusätzliche Versorgungsquelle. Nach herrschendem Völkerrecht sind im Kriegsfall die Angreifer verpflichtet, umfassend die humanitäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Generalsekretär Kofi Annan drängte dennoch schon zu Beginn des Krieges darauf, der Sicherheitsrat solle dafür sorgen, dass möglichst umgehend die Güter – allein Lebensmittel im Wert von 2,8 Millionen Dollar –, die bereits auf dem Weg in den Irak sind, sowie weitere humanitäre Hilfe ins Land gelangen können.

Trotzdem musste dann vier Tage lang im Sicherheitsrat über Details verhandelt werden. Das Problem: Wie kann man verhindern, dass im Zuge der humanitären Hilfe gleichzeitig Weichen für eine Nachkriegsordnung gestellt werden? Dass bereits jetzt eine Aufgabenteilung zwischen alliiertem Militär, der „Besatzungsmacht“ und den UN entsteht, die sich dann verfestigen könnte?

Niemand will, dass den Invasoren als Verwalter humanitärer Hilfe durch die Hintertür ein quasi-legitimer Status zuwächst. Es soll der UN-Generalsekretär sein, dem die Interimsverwaltung – Öleinnahmen, Verträge, Kontrollen – obliegt. Alles soll offen bleiben: Wie weit soll die Ermächtigung des Generalsekretärs gehen, wer sollen seine ansprechpartner im Irak sein, soll man einer Teilaufhebung der gegenwärtigen UN-Sanktionen zustimmen – über diese Fragen brüteten die Experten am Mittwoch bin in den Abend hinein. Aber selbst hier ziehen offenbar nicht alle Sicherheitsratsmitglieder an einem Strang. Klar ist allen: Diesmal muss es eine einstimmige Resolution werden. Im Angesicht des Krieges darf nicht über Fragen der humanitären Versorgung gestritten werden – das gäbe dem Ansehen des Sicherheitsrates den Rest. Und das Konsenspapier sollte auch vorgezeigt werden können, bevor am Mittwoch die erste offene Debatte über den Irak seit Kriegsbeginn begann. Diese von der Arabischen Liga und den blockfreien Staaten geforderte Aussprache dürfte ein Forum für scharfe Verurteilungen des amerikanisch-britischen Vorgehens werden.

Barbara-Maria Vahl[New York]

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