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Hellmuth Karasek (Mitte) im Gespräch mit Iris Radisch und Marcel Reich-Ranicki im Jahr 2000 im ORF-Studio nach der Ausstrahlung des "Literarischen Quartetts".

© Ursula Düren/dpa

Hellmuth Karasek: Der Feuilletonist

Hellmuth Karasek war seiner Zeit voraus - er war fürs Populäre, für neue Medien. Er zeigte: Es geht zusammen, das Leichte und das Ernste.

Das „Literarische Quartett“ wird wieder aufgelegt, und Hellmuth Karasek macht sich davon, für immer. Auch ein Kommentar! Denis Scheck, der Literaturkritiker, konnte sich diese Pointe nicht verkneifen, als er im Radio den großen, am Dienstagabend verstorbenen Kollegen würdigte, der seinen Nachnamen scharf auf der zweiten Silbe betonte: Karásek. Marcel Reich-Ranicki gab in der Bücher-Talkshow des ZDF den König der Löwen, Hellmuth Karasek spielte den Boulevard-Buffo, den Narren, dessen Weisheit der Witz war.
Nun sind sie alle tot, Karasek, Reich-Ranicki, Fritz J. Raddatz. Gefürchtete Kritiker, Instanzen. Sie haben nicht nur Bücher und Autoren kritisiert, sondern selbst Bücher geschrieben. Manch ein Bestseller war darunter, aber Karasek wusste auch, was Kritiker mit Kritikern machen, die als Schriftsteller auftreten. Seine Theaterstücke liefen unter dem Pseudonym Daniel Doppler. Den Roman über den „Spiegel“ publizierte er freilich unter seinem eigenen Namen. Karasek schrieb Bücher über Witze, übers Älterwerden, seine Kindheit auf der Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg und eine Biografie über Billy Wilder. Journalismus ist keine Literatur, aber die beiden können sich berühren, an guten Tagen.
Noch knapp vor dem Witz und der Pointe ist für Kritik entscheidend: die Sprache. Ohne Sprachkunst gibt es keinen Anfang und keinen Schluss. Denken wir an Billy Wilders Komödie „Some Like It Hot“ mit Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon, dem der unübertreffliche Happy-End-Satz gewidmet ist: „Nobody’s perfect.“ Sprache war für einen wie Karasek, der sich nicht als journalistischer Lehrmeister oder Wortschatzhygieniker aufführte, ein feinstimmiges, wandelbares und dann auch ordinäres Organ. He liked it hot.

Und während man nun, wenn eine Generation abtritt, mal wieder über das Ende einer Ära, über den Bedeutungsverlust der Großkritik und vielleicht das Verschwinden der Literatur als gesellschaftliche Einflussmacht debattieren kann, muss man erkennen: Karasek war seiner Zeit voraus. Der Entertainer passt in diese Welt, die kaum mehr zwischen großer Kunst und Unterhaltung unterscheidet. Der Kritiker alter Schule hat durchaus egalisierend gewirkt. Auch seinetwegen ist das Feuilleton heute, wie es ist. Karasek war fürs Populäre, für neue Medien. Früh machte er ein Büchlein darüber, wie das Handy uns verändert. Stets mit der Hand und in einem Café schrieb er seine Glossen für diese Zeitung. Gut leserlich, auf die Zeile genau. Ein Typus, der den Computer im Kopf hat, das Wikipedia-Wissen, aber auch das Zählen von Zeichen und Wörtern. Ein Text, den zu lesen sich lohnt, hat Worte. Es geht zusammen, das Leichte und das Ernste, Karasek und Kafka, Internet und kulturelle Institution. Philip Roth, das ist ein Schriftsteller nach dem alten Geschmack. Das große Ego, Sex. Heute redet die Welt über Jonathan Franzen und Dave Eggers, die digitales Sein und Werden beschreiben. Das Reden über Bücher erlebt Hochs wie Tiefs, aber es verstummt nie. Das öffentliche Debattieren über Literatur, das ja schon im „Don Quijote“ von Cervantes losgeht, ist die Zukunftsform schlechthin, für Menschen ohne Zeit. Der französische Literaturprofessor Pierre Bayard hat dafür die Anleitung geschrieben: „Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat.“ Muss man gelesen haben.

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