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Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher: Deutschland im Sog der Euro-Schuldenkrise

Die Wirtschaftsexperten sagen in ihrem Herbstgutachten für 2013 nur ein Wachstum von einem Prozent voraus. Ist der Aufschwung in Deutschland vorüber?

Gemessen am Wirtschaftswachstum von drei Prozent im vergangenen Jahr, wird es 2013 nach Ansicht der Wirtschaftsforscher deutlich langsamer mit der deutschen Wirtschaft vorangehen. Ein Prozent Wachstum – statt der im Frühjahr prognostizierten zwei Prozent – sagt das Herbstgutachten für das kommende Jahr voraus. Verglichen mit den voraussichtlich 0,8 Prozent aus dem laufenden Jahr ist das kein dramatisch schlechter Wert. Deutschland kommt alles in allem stabil durch die Schuldenkrise im Euroraum.

Aber: Aktuell tritt die deutsche Wirtschaft praktisch auf der Stelle. Sowohl im dritten wie auch im vierten Quartal dürfte die Konjunktur stagnieren, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Quartalsumfrage unter Volkswirten von Banken und Instituten hervorgeht. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im September laut Ifo-Index den fünften Monat in Folge eingetrübt. Im 86-seitigen Herbstgutachten im Auftrag der Bundesregierung heißt es: „Über den gesamten Prognosezeitraum gesehen überwiegen die Abwärtsrisiken, und die Gefahr ist groß, dass auch Deutschland in eine Rezession gerät.“

Die größten Risiken für die deutsche Wirtschaft ergeben sich demnach aus der ungelösten Schuldenkrise und der schwächelnden Weltkonjunktur. „Die Eurokrise hat auch die Wirtschaft in Deutschland erfasst“, sagte am Donnerstag Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Auch deshalb dürfte der Arbeitsmarkt 2013 bestenfalls stagnieren: In diesem und im nächsten Jahr rechnen die Institute mit jeweils rund 2,9 Millionen Erwerbslosen in Deutschland und einer Quote von 6,8 Prozent. Fachkräfte würden weiter gesucht. Die Unternehmen dürften versuchen, ihr Personal zu halten, aber auch Überstundenkonten abzubauen. Die Inflationsrate in Deutschland sehen die Forscher in diesem Jahr bei 2,0 Prozent und im kommenden Jahr bei 2,1 Prozent.

Die Institute kritisierten bei der Vorstellung des Herbstgutachtens am Donnerstag in Berlin den Plan der Europäischen Zentralbank (EZB), notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Schuldenstaaten zu kaufen. Damit steige die Inflationsgefahr. In der Frage, ob die Anleihekäufe der Notenbank notwendig sind, waren sich die vier Institutskonsortien allerdings nicht einig. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) halten die Hilfen grundsätzlich für vernünftig. Sie warnen allerdings vor einer Verquickung von Fiskal- und Geldpolitik, durch die die Unabhängigkeit der Notenbank aufs Spiel gesetzt wird. Das Kieler IfW und das Münchner Ifo-Institut lehnen die Anleihekäufe grundsätzlich ab.

Mit Blick auf das Euro-Krisenmanagement halten die Institute wachstumsfördernde Reformen sowie Haushaltskonsolidierung für „den Königsweg, um das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen in den Krisenländern wieder herzustellen“. Sie bekräftigten ihre Empfehlung, ein Instrumentarium für die Insolvenz von Krisenstaaten zu schaffen. Griechenland braucht nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher einen zweiten Schuldenschnitt. „Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“, sagte Joachim Scheide vom IfW.

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag Steuersenkungen andeutete, sprachen sich die Arbeitgeberverbände erneut für die geplante Senkung der Rentenbeiträge aus, von der ihrer Ansicht nach ein Impuls für die deutsche Wirtschaft ausgehen würde. Die Halbierung der Wachstumsprognose für 2013 im Herbstgutachten sei ein Warnsignal, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Es wäre fahrlässig, auf diese Möglichkeit zur Belebung der Wirtschaftsdynamik zu verzichten. Hundt rief den Bundesrat auf, die von der Bundesregierung beschlossene Senkung nicht zu blockieren. (mit dpa)

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