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Blick nach unten: Deutsche-Bank-Chef John Cryan.

© Kai Pfaffenbach/Reuters

Herfried Münkler zur Deutschen Bank: Ein Symbol der Wirtschaft löst sich auf

Der politische Mythos Deutsche Bank bröckelt. Mit zahllosen Skandalen und Verwicklungen geht eine Epoche zu Ende. Ein Gastbeitrag.

Aus dem Vorzeigeinstitut ist ein Sorgenkind geworden: nicht nur wegen der zahllosen Skandale und Verwicklungen, mit denen die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren von sich reden gemacht hat, sondern auch infolge ihrer wenig überzeugenden Performance beim jüngsten europäischen Stresstest. Hinzu kommen die Unklarheiten beim Geschäftsmodell, mit dem die Bank in Zukunft Geld verdienen will. Man ist von deutschen Unternehmen nicht gewohnt, dass sie im europäischen Vergleich so schlecht dastehen. Und schon gar nicht ist man das von einem Bankinstitut gewohnt, das wie kein anderes das Symbol für den wirtschaftlichen Aufstieg Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist.

Indes war die Deutsche Bank nie ein Symbol wie der VW-Käfer oder der Mercedes-Stern, in denen sich das eher wirtschaftlich als politisch begründete neue Selbstbewusstsein der Westdeutschen in den 1950er und 1960er Jahren manifestierte. Dazu fehlte der Bank zunächst die Anschaubarkeit, denn die stolzen silbern glänzenden Doppeltürme in Frankfurt wurden erst gebaut, als sich die Periode des stürmischen Wirtschaftswachstums ihrem Ende zuneigte und zunehmend Staatshandeln vonnöten war, um Konjunktureinbrüche auszugleichen und Krisenperioden der Weltwirtschaft zu überbrücken. Damit trat die Bundesbank zunehmend ins Blickfeld und wurde zum Symbol für Währungsstabilität und Solidität.

Da beide, Deutsche Bank wie Bundesbank, in Frankfurt angesiedelt waren, wurde das jedoch nicht als grundlegende Veränderung wahrgenommen, sondern eher als Ergänzung und Zusammenspiel. Wer auch immer „den Hut aufhatte“: Der Bankenplatz Frankfurt war der Inbegriff der florierenden deutschen Wirtschaft.

Es fällt auf, dass im Fall der Deutschen Bank die Institution symbolpolitisch die Männer an ihrer Spitze nie zu konsumieren vermochte. Hermann Josef Abs, der legendäre Bankier, der über zwei Jahrzehnte an der Spitze der Bank stand, avancierte zu einer der mythischen Gründergestalten der alten Bundesrepublik, eher Konrad Adenauer und Ludwig Erhard vergleichbar als anderen Wirtschaftsführern der Republik.

Vom Vorzeigeinstitut zum Sorgenkind

Das hatte nicht nur mit seiner Rolle bei den Londoner Entschuldungsverhandlungen zu tun, sondern auch mit seinem Entwurf für die westdeutsche Wirtschaftsordnung: die Deutsche Bank als strategischer Anteilseigner der großen Konzerne, die sie mit Geld versorge und auf deren Entscheidungen sie über den Aufsichtsrat Einfluss nahm. Man hat das später als „Deutschland AG“ oder auch als „rheinischen Kapitalismus“ bezeichnet. Von Abs bis Herrhausen waren die Chefs der Deutschen Bank die mithin wichtigsten Entscheider der deutschen Wirtschaft, und vermittelt über sie entstand der politische Mythos Deutsche Bank.

Politische Mythen sind Erzählungen, die Sinn stiften und Zukunftsvertrauen generieren. Sie antworten nicht auf die Ranke’sche Frage, „wie es wirklich gewesen ist“, weswegen die professionelle Geschichtswissenschaft auch permanent mit der Destruktion dieser Mythen beschäftigt ist, sondern schaffen Bedeutung. Sie liefern die Erzählung dafür, warum ein Ort, ein Gebäude, ein Ereignis oder eine Person symbolhafte Qualität hat. Sie stiften Vertrauen für eine Epoche, und wenn sie zerfallen, geht eine Epoche zu Ende. Das scheint auch jetzt so zu sein.

Herfried Münkler
Herfried Münkler

© Mike Wolff

Der Wandel der Deutschen Bank vom Vorzeigeinstitut zum Sorgenkind, das Ende eines Mythos, ist somit mehr als eine Momentaufnahme. Zusammen mit dem Bedeutungsverlust der Bundesbank nach Einführung des Euro und der Machtverlagerung zur Europäischen Zentralbank steht der Niedergang der Deutschen Bank für das (vorläufige) Ende einer am Nationalstaat orientierten Form der Wirtschaftsorganisation. Die Deutschland AG hat sich aufgelöst, die nationalen Unternehmen haben sich internationalisiert, und der Vorstandssprecher des größten deutschen Bankhauses ist demgemäß nicht mehr zwingend ein Deutscher.

Ein Symbol der deutschen Wirtschaft löst sich auf. Das verursacht nostalgische Empfindungen. Doch ohne solche Symbole und Mythen kommen politische und wirtschaftliche Ordnungen auf Dauer nicht aus. Wo sie fehlen, macht sich Zukunftsangst breit.

Herfried Münkler unterrichtet Theorie der Politik an der Humboldt-Universität. In diesen Tagen erscheint sein Buch „Die neuen Deutschen“ (Rowohlt Berlin).

Herfried Münkler

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