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Tarek Al-Wazir

© dpa

Hessen-Grüne stimmen für Verhandlungen mit CDU: „Die Chancen für Schwarz-Grün überwiegen“

Hessens Grüne stimmen mehrheitlich für Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Sie setzen vor allem auf die Besonnenheit und Popularität von Parteichef Tarek Al-Wazir.

Nach dreistündiger Diskussion waren sich die Grünen in Hessen überraschend einig: 89 Prozent der Delegierten des Parteirats sprachen sich am Samstag in Frankfurt dafür aus, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen. „Wir haben heute eine sehr intensive Debatte geführt“, teilweise sei sie auch sehr emotional gewesen, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir im Anschluss an die Beratungen. Teilnehmer berichteten von einer nüchternen Debatte. „Es wird verdammt schwer, aber könnte sich lohnen“, twitterte die Grünen-Kreistagsabgeordnete Kaya Kinkel. Auch die hessische Bundestagsabgeordnete Priska Hinz, die als mögliche Ministerin in einem schwarz-grünen Kabinett gilt, zeigte sich zuversichtlich. „Die Chancen überwiegen.“

Kommt die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland?

Ob in Hessen die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland tatsächlich zustande kommt, wird sich in den Koalitionsverhandlungen in den kommenden Wochen zeigen. Wenn sich die Delegationen auf einen Vertrag einigen, soll darüber eine Landesmitgliederversammlung der Grünen am 21. Dezember entscheiden. Bei den Bundes-Grünen hofft man darauf, dass Al-Wazirs Popularität in Hessen dafür sorgen wird, dass die Partei in einer Koalition mit den Schwarzen nicht untergehen wird. „Wenn einer das hinbekommen kann, dann Tarek“, heißt es in Parteikreisen.

Der Landesvorsitzende ist als Führungsfigur bei den Grünen in Hessen unumstritten. In den Sondierungsgesprächen mit CDU, SPD und Linkspartei ging der 42-jährige besonnen vor. Nach jedem Gespräch, so berichtet ein Parteifreund, habe Al-Wazir Listen geführt, in denen er Argumente für und gegen eine Zusammenarbeit zusammenstellte. Dass weder Schwarz-Grün noch Rot-Rot-Grün einfach werden würden, war ihm von Anfang an klar.

Der Weg zur CDU, die in Hessen als besonders konservativ gilt, war auch für Al-Wazir weit: Der Politikwissenschaftler, der seit 1995 im Landtag sitzt, hat noch gut in Erinnerung, wie der damalige CDU-Spitzenkandidat Roland Koch 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die rot-grüne Initiative im Bund Stimmung machte, einen Doppelpass einzuführen – und damit die Wahl gewann. Eine Kampagne, die sich auch gegen Al-Wazir persönlich richtete: Als Sohn einer deutschen Mutter und eines jemenitischen Vaters gehörte er zu denen, die über zwei Pässe verfügten.

Linke für Scheitern von Rot-Rot-Grün in Hessen verantwortlich

Al-Wazir gab am Samstag zu, er habe sich selbst nicht vorstellen können, einmal in Verhandlungen mit der CDU einzutreten. Dies sei aber Ergebnis der Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl am 22. September. Am Ende habe es nur noch die Wahl zwischen einer großen Koalition von CDU und SPD und dem Versuch gegeben, in schwarz-grünen Verhandlungen eine Alternative zu ermöglichen. Dass ein rot-rotgrünes Bündnis nicht zustande kam, dafür macht Al-Wazir auch die „Verfasstheit der Linkspartei“ verantwortlich.

Der Streit über die doppelte Staatsbürgerschaft zählt ohnehin nicht mehr zu den zentralen Auseinandersetzungen zwischen Christdemokraten und Grünen in Hessen, zumal die Union gerade im Bund mit der SPD über das Thema verhandelt. Schwierig bleibt der Dauerstreit um den Frankfurter Flughafen. Im Wahlkampf stellten sich die Grünen an die Seite der Bürgerinitiativen, die gegen die zunehmende Lärmbelästigung protestieren. Rund 50 Demonstranten kamen am Samstag zum Grünen-Parteirat, um dort vor den Türen für ihre Forderungen zu werben. Ein Ausweitung des Nachtflugverbots um zwei Stunden auf 22 bis 6 Uhr, wie die Grünen gefordert hatten, werden sie wohl nicht bekommen. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte aber bereits am Freitag in Aussicht gestellt, die Lärmpause auszuweiten, die Zahl der Flugbewegungen zu beschränken und die Baupläne für ein drittes Terminal auf den Prüfstand zu stellen. Der CDU-Politiker weiß schließlich auch, dass es nicht nur Grünen-Wähler sind, die vom zunehmenden Fluglärm genervt sind. Und den Grünen ist wiederum klar, dass das heikle Thema Flughafen auch mit der SPD nicht ganz einfach zu verhandeln gewesen wäre.

Wenn es in Hessen klappt, könnte es überall funktionieren

In den Bundesparteien werden die Koalitionsverhandlungen in Hessen auch deshalb so aufmerksam beäugt, weil es um das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland geht. Bisher haben die Grünen zwei Versuche unternommen, mit der CDU in den Ländern zu regieren: In Hamburg brach die Koalition auseinander, nachdem der liberale CDU-Bürgermeister Ole von Beust mitten in der Wahlperiode seinen Rückzug erklärt hatte und gleichzeitig ein Volksbegehren die Schulpolitik des Senats stoppte. Im Saarland wiederum scheiterte eine „Jamaika-Koalition“ von CDU, FDP und Grünen vor allem am desolaten Zustand der Liberalen. Ein Grünen-Politiker prophezeit: „Wenn es in Hessen erfolgreich sein sollte, kann es überall klappen.“

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