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Hessen: Raus aus der großen Koalition – und was dann?

Über Ampel und Jamaika wird in Hessen wieder intensiver nachgedacht. Ins Kanzleramt muss 2009 nicht automatisch der Stärkste einziehen. Die kleinen Parteien diktieren die Preise.

Von Robert Birnbaum

Roland Koch denkt gerne mal in großen Linien. Bis zur Bundestagswahl ist es noch ein gutes Jahr hin, da macht sich der CDU-Vize im „Spiegel“ Gedanken über die große Koalition mit der SPD. Sein Urteil fällt gewohnt deutlich aus. „Dieser Vertrag ist abgearbeitet. Es ist kein gemeinsames Projekt mehr in Sicht“, befindet der Hesse. Koch steht damit nicht allein. „Die zentrale Botschaft muss lauten: Raus aus der großen Koalition, rein in die Stabilität“, bekräftigt Fraktionschef Volker Kauder in der „Frankfurter Allgemeinen“. Kauder macht auch kein Hehl daraus, wie er „Stabilität“ versteht: „Unser idealer Koalitionspartner ist die FDP.“

Das Ideal hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. So wie die Dinge demoskopisch stehen, reicht es derzeit nicht zum schwarz-gelben Bund. Zusammen 48 Prozent vermerkt etwa der letzte Deutschlandtrend von Infratest; ein Befund, der mit geringen Abweichungen seit Monaten stabil ist. Fast so stabil wie die parteiübergreifende Unlust, öffentlich über die Konsequenz zu reden. Aber wenn sich nicht noch Grundlegendes ändert, wird Kochs Hessen zum Muster für den Bund. Außer großer Koalition, Teil zwei, wäre dann nur ein Dreierbund mehrheitsfähig.

Öffentlich darüber reden mag noch kaum einer. Die Wahlkampfplaner der größeren Parteien blenden das Thema vordergründig aus; man kämpfe erst mal für sich allein. In den Hinterköpfen der Verantwortlichen ist die Frage aber umso mehr präsent. Denn jeder weiß: Ins Kanzleramt zieht 2009 keineswegs automatisch der Stärkste ein. Womöglich hat der Schwächere der beiden Größeren sogar die besseren Karten.

Einer, dem das sehr bewusst ist, ist Guido Westerwelle. Als der CDU-Mann Ole von Beust in Hamburg ohne viel Federlesens die erste schwarz-grüne Landeskoalition der Republik abschloss, ist dem FDP-Vorsitzenden geradezu ein Stein vom Herzen gefallen. Endlich konnte er – mit dem Gestus des schwer von der Freundin Angela Merkel Enttäuschten – ein Stück von den Schwarzen abrücken. Der FDP-Wahlkampf dürfte sich denn auch nicht auf eine „bürgerliche“ Koalition kaprizieren, sondern stets auf liberaler Eigenständigkeit bestehen.

Dahinter steckt die Hoffnung, eine alte Rolle wiederbeleben zu können: Das sprichwörtliche Zünglein an der Waage. Der Fall träte ein, wenn es für Schwarz- Gelb nicht reicht, aber sowohl für eine Ampel als auch für Jamaika – also der neue Bundestag etwa so aussieht wie der heutige. Wer dann mit wem zusammengeht, kann rasch zur Frage nach den Preisen werden, die Merkel hier, der SPD-Kanzlerkandidat dort zu zahlen bereit sind. Dass sich die potenziellen kleinen Partner – also FDP und Grüne – gegenseitig in Schach halten würden, macht die Sache für die zwei Größeren nicht einfacher; dass sowohl Westerwelles FDP als auch die Grünen-Spitze sich noch mal vier Jahre Opposition kaum leisten können, macht sie komplizierter.

Was aber dabei herauskommen könnte, darüber machen sich Merkels Leute seit langem keine Illusionen: Ein sozialdemokratischer Aldi-Kanzler, der sich mit ziemlich leerem Stimmen-Beutel trotzdem den Einkaufswagen füllt. Denn es könnte für die FDP durchaus attraktiv sein, als bürgerliches „Korrektiv“ eines schwachen SPD-Kanzlers mit grünen Aufpassern Profil zu gewinnen. Für die Grünen könnte freilich aus dem gleichen Grunde „Jamaika“ spannender sein. Koch wirbt denn auch schon heute heftig in diese Richtung. „Eigentlich“, schmeichelt der Hesse, „passen wir besser zu den Grünen als zur SPD.“

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