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Hessen: Roland Koch geht - Bouffier kommt

Nachdem Hessens Ministerpräsident Roland Koch seinen Rückzug von allen politischen Ämtern angekündigt hat, läuft alles auf Hessens Innenminister Volker Bouffier als Nachfolger hinaus. Dieser soll zunächst zum neuen CDU-Landesvorsitzenden gewählt werden.

Von Hans Monath

Berlin - Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat überraschend seinen vollständigen Rückzug aus der Politik angekündigt. Der 52-jährige Jurist gab am Dienstag in Wiesbaden bekannt, er werde schon innerhalb von wenigen Monaten seine Posten als Ministerpräsident, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und CDU-Landeschef zur Verfügung stellen. Er wolle sich nach einer Pause künftig „im Bereich von Wirtschaft und unternehmerischen Entscheidungen“ engagieren. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel äußerte Bedauern über diesen Schritt. Als Nachfolger Kochs im Amt des Ministerpräsidenten und als Landesvorsitzender empfahlen Koch, der CDU-Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden am Dienstagabend einstimmig Landesinnenminister Volker Bouffier (CDU).

„Politik ist ein faszinierender Teil meines Lebens, aber nicht mein Leben“, erklärte der Wirtschaftsanwalt in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Die elf Jahre als Ministerpräsident seien eine spannende Zeit gewesen. Er habe sie „in all ihren Ausprägungen genossen“, aber auch immer Wert auf eine „angemessene Balance“ zwischen dem politischem Engagement einerseits und „Selbstständigkeit und Unabhängigkeit auf der anderen Seite“ gelegt.

Koch kündigte an, er werde zum 31. August sein Amt als Ministerpräsident und als Landtagsabgeordneter abgeben. Bis dahin werde er weiter regieren und „ohne Abstriche führen“. Auf dem Landesparteitag am 12. Juni werde er nicht mehr als Parteichef kandidieren und auf dem CDU-Bundesparteitag im November sein Amt als Vizebundesvorsitzender zur Verfügung stellen. Koch bestätigte, dass auch Umweltministerin Silke Lautenschläger ihre Ämter im Kabinett und im CDU-Parteivorstand aufgibt.

Nach Darstellung des Politikers war die Entscheidung zum Rückzug schon lange in ihm gereift: Er habe seine Familie und Merkel vor mehr als einem Jahr von seinen Plänen in Kenntnis gesetzt. Dabei hätten gesundheitliche Probleme keine Rolle gespielt. Koch versicherte, er gehe nicht im Streit. Er habe bewusst den Zeitpunkt nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und vor dem Landesparteitag ausgesucht, um seinen Rückzug mitzuteilen.

Kanzlerin Merkel sagte auf dem Flug von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Saudi-Arabien, sie sei nicht überrascht gewesen und nehme die Ankündigung Kochs „mit Respekt, aber auch großem Bedauern zur Kenntnis“. Die CDU- Chefin betonte, sie werde „auch in Zukunft fest auf seinen Rat bauen“. Koch sei ihr stets „ein guter, freundschaftlicher Ratgeber“ gewesen.

Koch galt über Jahre hinweg als innerparteilicher Rivale Merkels. Zugleich war er immer wieder für Spitzenämter in Berlin im Gespräch, etwa als Nachfolger des gesundheitlich angeschlagenen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Der hessische Politiker hatte daran mitgewirkt, dass Merkel im Jahr 2002 die Kanzlerkandidatur der Union versagt blieb. Vor wenigen Tagen stellte sich Koch frontal gegen die Absicht der Kanzlerin, bei der Haushaltskonsolidierung die Bereiche Bildung und Familie von Kürzungen auszunehmen. Merkel blieb bei ihrer Position.

Der Vertreter des konservativen Flügels innerhalb der CDU machte sich mit seiner Fähigkeit zur Polarisierung bei seinen politischen Gegnern wenig Freunde. Harte Kritik zogen sowohl seine Verwicklung in die Spendenaffäre der CDU als auch die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auf sich, die 1999 zu seinem ersten Wahlsieg beitrug. Im Wahlkampf 2007/ 2008 hatte Koch Versäumnisse im Umgang mit kriminellen jungen Ausländern zum Thema gemacht. Aus der Opposition waren am Dienstag nicht nur Respektsbekundungen zu hören. Der Atomkraftbefürworter habe sich nie gescheut, „Wahlkämpfe mit Vorurteilen gegen Ausländer oder mit der Forderung nach Schikanen für Hartz-IV-Empfänger zu führen“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Sein Abschied sei „überfällig“.

Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff beklagte den Verlust profilierter Politiker in der Union: „Ich habe damals bedauert, dass wir Friedrich Merz verloren haben, ich bedauere jetzt, dass wir Roland Koch verlieren“, sagte Wulff. „Man muss eben sehen, dass man gute Leute hält, und man muss sich schon Gedanken machen, wenn man gute Leute verliert.“ Ähnlich äußerte sich auch Brandenburgs Ex- Innenminister Jörg Schönbohm (CDU): „Dieser herbe Verlust ist nicht ohne Weiteres zu ersetzen.“

Die Entscheidung über einen Nachfolger Kochs als Ministerpräsident und als CDU-Landeschef werde nicht „ungebührlich lange“ dauern, hieß es am Nachmittag – abends war sie gefallen: Volker Bouffier, sechs Jahre älter als sein politischer Weggefährte Koch, soll ihm folgen. Er trete „ein großartiges Erbe“ an, sagte Bouffier in einer ersten Stellungnahme. Offen ist, wer Koch als Vizechef der Bundes-CDU folgt. Spekuliert wurde über den sächsische Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, für den sich führende Vertreter der ostdeutschen CDU einsetzten. Denkbar sei aber auch, die Zahl der Stellvertreter von vier auf drei zu verringern, hieß es.

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