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Politik: „Hetzerische Rhetorik“

EU-Parlament geißelt die massenhafte Abschiebung von Roma in Frankreich

„Unverzüglich“ soll die französische Regierung die Ausweisung von Sinti und Roma nach Rumänien und Bulgarien stoppen. So steht es in einer Resolution, die das Straßburger Europaparlament am Donnerstag mit knapper Mehrheit angenommen hat. Mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen, Linken und mehreren liberalen Abgeordneten wurde festgestellt, das Vorgehen der Pariser Behörden sei eine „Diskriminierung auf Grund der Rasse und der ethnischen Zugehörigkeit“. Für die Roma aus Bulgarien und Rumänien, demnach selbstverständlicherweise ebenfalls EU-Bürger, gelte das europäische Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Wahl des Wohnorts innerhalb der Gemeinschaft. Der Antrag fordert die Brüsseler Kommission zudem auf, ein Integrationskonzept vorzulegen. Auch die „hetzerische und offen diskriminierende Rhetorik“ in Frankreich wird gegeißelt.

„Das Anprangern von Frankreich wird der Lage der Roma nicht gerecht und dient nur der politischen Show“, sagte dagegen der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, der Fraktionsvize der Europäischen Christdemokraten. Seine Fraktion war zusammen mit der konservativen Fraktion mit ihrem Gegenantrag in der Abstimmung unterlegen. Dieser hatte vor allem eine bessere Integration der Roma durch bessere Schulbildung und Gesundheitsversorgung gefordert, ohne jedoch Frankreich scharf zu kritisieren. „Es geht doch darum, deren Lebensverhältnisse zu verbessern. Und da sind die Hilfe und die Solidarität der EU gefragt“.

Die Resolution bemängelt zudem, dass die Brüsseler Kommission, die qua Amt über die Einhaltung der EU-Verträge samt der Grundrechtecharta wacht, bisher keine kritischen Worte zum Vorgehen der französischen Behörden gefunden hat. „Die EU-Kommission darf sich nicht in eine schweigende Komplizenschaft begeben“, so die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel, „sondern muss Missstände klar benennen und neue Integrationsstrategien aufzeigen.“

Tatsächlich hatte die zuständige Grundrechtekommissarin Viviane Reding aus Luxemburg in der Debatte am Dienstag nicht klar Stellung bezogen. Ihre Behörde weigert sich, ein Rechtsgutachten zu veröffentlichen oder offiziell dem Parlament zugänglich zu machen. Das Gutachten untersucht, ob die medial inszenierte Massenabschiebung der 8000 Roma mit europäischem Recht vereinbar war.

Auch in dem Papier jedoch, das unter der Hand in Straßburg und Brüssel kursiert, wird Frankreich bestenfalls indirekt kritisiert. „Frankreich hält dann EU- Recht ein, wenn jeder Einzelfall individuell geprüft wird“, lautet frei übersetzt eine der Passagen. Dabei hatte die Kommission erst vor zwei Jahren – ebenfalls medienwirksam – einen sogenannten Roma-Gipfel in Brüssel veranstaltet, auf dem zwar keine Milliardenprogramme ins Leben gerufen wurden, aber doch ein Bekenntnis zu einem Bewusstsein für die Situation der zwölf Millionen Menschen starken Minderheit in Europa abgegeben wurde. In zwölf EU-Staaten, darunter Rumänien, Bulgarien, Slowenien und Tschechien, gibt es mittlerweile Hilfsprogramme. Dafür wurden 17,5 Millionen Euro bereitgestellt. Auch Kommissionschef José Manuel Barroso hat nur allgemein appelliert, dass „alle Regierungen auch die Menschenrechte der Minderheiten achten müssen“. Frankreich erwähnte er zum Missfallen vieler Abgeordneter nicht.

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