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Politik: HEUTE: Henryk M. Broder

Die Regierung von Gerhard Schröder ist in Schwierigkeiten. Für seinen Sparkurs findet der Bundeskanzler bei den Wählerinnen und Wählern kaum Zustimmung.

Die Regierung von Gerhard Schröder ist in Schwierigkeiten. Für seinen Sparkurs findet der Bundeskanzler bei den Wählerinnen und Wählern kaum Zustimmung. Das Hauptargument gegen ihn lautet, er missachte die soziale Gerechtigkeit. Was kann er jetzt noch tun, um Erfolg zu haben? Kann und soll er überhaupt noch Erfolg haben?

Gerechtigkeit für Gerhard Schröder - das klingt wie Mitleid mit den Ossis oder mehr Telefonzellen für Rollstuhlfahrer. Die Forderung nach Gerechtigkeit setzt voraus, dass einem schon Ungerechtigkeit widerfahren ist. Und davon kann bei Gerhard Schröder keine Rede sein. Was immer er erlebt und erlitten hat, es hat ihn niemand dazu gezwungen. Niemand hat ihn genötigt, Politiker zu werden, vier Mal zu heiraten oder das Amt des Bundeskanzlers anzustreben. Er hätte auch ein beschauliches Leben als praktizierender Anwalt in Winsen an der Luhe führen, sich im örtlichen Schützenverein engagieren und aus sicherer Distanz die SPD wählen können, statt sein ganzes Leben darauf einzurichten, nach oben zu strampeln. Nun ist er dort angekommen, wo er immer sein wollte, und stellt fest, dass der Weg das Ziel war: Es geht nicht weiter, und wenn, dann nur im freien Fall zurück.

Natürlich kann man Schröder nicht für alles prügeln, was schiefgeht, vom verpatzten Einstieg in den Ausstieg bis zu Glogowskis Geschenke-Affären. Aber an wen sonst soll man sich halten, wenn nicht an den Chef? An Jürgen Trittin? Heidi Wieczorek-Zeul? Oder Cornelie Sonntag? Da kommt einem der gute-Laune-Bär im Brioni-Anzug und Havanna-Zigarre gerade recht. No pain, no gain, sagen die Amis. Auf Schröder bezogen heißt das: Wem das Regieren so viel Spaß macht, der soll zwischendurch auch mal fühlen, wie es ist, wenn einem der Ischias-Nerv klemmt. Falls Schröder überhaupt noch was fühlt, was wir zu seinen Gunsten mal annehmen wollen.

Schröders eigentliches Problem freilich ist die Partei, der er angehört, und über die schon Tucholsky geschrieben hat, er würde sie nur wählen, weil er für die Revolution wäre, aber sichergehen möchte, dass sie nicht kommt. Die SPD will nicht wirklich regieren, sie ist an die Macht gekommen, wie ein Lottospieler an den Hauptgewinn; der möchte auch nicht hinterher die Verantwortung für die nächsten Ziehungen übernehmen und den ganzen Laden verwalten müssen. Die SPD sehnt sich nach der Opposition zurück. Symbolischen Widerstand leisten und sich mit den zu kurz Gekommenen solidarisieren, das können Enkel von August Bebel ganz prima, aber regieren und wirklich Hand anlegen, das sollten sie Polit-Profis überlassen, die etwas davon verstehen.

Und deswegen heißt die Forderung nach Gerechtigkeit für Gerhard Schröder zuerst und vor allem: Liebe SPD, bitte geh zurück in die Opposition, damit wir dich wieder wählen können.Der Autor ist freier Publizist und lebt in Berlin.

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