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Politik: Hilfe für 800 000 Menschen

Von Christian Böhme Wann immer Michael Jansen mit ehemaligen NS-Zwangsarbeitern zusammentrifft, sind es zwei Dinge, die den Vorstandsvorsitzenden der Entschädigungsstiftung besonders beeindrucken: Die riesige Freude und die große Dankbarkeit der ehemaligen Opfer, wenn sie das ihnen zustehende Geld erhalten. Gerade in Osteuropa sind die Leute nicht nur alt, sondern oft auch krank und sehr arm.

Von Christian Böhme

Wann immer Michael Jansen mit ehemaligen NS-Zwangsarbeitern zusammentrifft, sind es zwei Dinge, die den Vorstandsvorsitzenden der Entschädigungsstiftung besonders beeindrucken: Die riesige Freude und die große Dankbarkeit der ehemaligen Opfer, wenn sie das ihnen zustehende Geld erhalten. Gerade in Osteuropa sind die Leute nicht nur alt, sondern oft auch krank und sehr arm. „Bekommt zum Beispiel ein ehemaliger KZ-Häftling heute von uns einen Scheck über 7500 Euro, dann ist das für ihn wie ein Lottogewinn“, sagt Jansen.

Vor fast genau einem Jahr hat die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ begonnen, Zwangsarbeitern ihre Entschädigung auszuzahlen. Inzwischen haben sich mehr als 816 000 Menschen in aller Welt (siehe Kasten) über kleinere oder größere Beträge freuen können. Von den gut vier Milliarden Euro aus dem Entschädigungstopf sind 1,54 Milliarden an die sieben Partnerorganisationen überwiesen worden. Es gebe, sagt Jansen sichtlich zufrieden, inzwischen eine „gute Routine“ bei der Auszahlung. Vom Streit mit Polen über entgangene Zinserträge beim Tausch von D-Mark in Zloty ist keine Rede mehr. Selbst die noch anhängigen Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen in den USA werden nicht mehr allzu ernst genommen.

Dennoch hat das 40-köpfige Team um Jansen eine Menge Arbeit vor sich. Es wird mindestens noch drei Jahre dauern, bis alle Berechtigten ihr Geld auf dem Konto haben. Das liegt allein schon an der riesigen Zahl von Anträgen. 2,1 Millionen wurden gestellt. Jansen rechnet damit, dass am Schluss aufgrund von Öffnungsklauseln 1,7 Millionen genehmigt werden können. Doch die Bearbeitung der Anträge braucht Zeit. Der „glaubhafte“ Nachweis der Zwangsarbeit bleibt die höchste Hürde auf dem Weg zur Entschädigung. Nicht alle Frauen und Männer haben zum Beispiel noch ihren Arbeitspass von damals oder eine AOK-Bescheinigung. Seit einiger Zeit gibt es in Köln eine zentrale Stelle, die bei der Nachweisbeschaffung helfen soll. Dazu wird in den verschiedensten Archiven des Bundes, der Gemeinden und der Unternehmen nach aussagekräftigen Dokumenten geforscht.

Richtige Kopfschmerzen bereitet der Stiftung ein Problem, das zwar mit Entschädigung zu tun hat, nicht aber mit Zwangsarbeit. Seit einem Jahr verhandelt Vorstandsmitglied Hans Otto Bräutigam als Vermittler mit der International Commission on Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC). Es geht um den finanziellen Ausgleich für nicht ausgezahlte Versicherungspolicen von Juden während des Dritten Reiches.

Im wahrsten Sinne des Wortes sitzen sich Vertreter Israels, verschiedener jüdischer Gruppen und die Versicherungen Allianz, Axa, Generali, Winthertur und Zürcher gegenüber. Wie viel ist eine Police heute wert? Wie findet man die Berechtigten? Wer trägt die Verwaltungskosten von ICHEIC (bisher 90 Millionen Dollar)? Vieles ist geklärt. Wann aber der 120-Seiten-Vertrag mit zehn Anhängen unterschrieben wird, darüber will Bräutigam keine Prognose wagen. Er ist in den vergangenen Monaten einfach schon zu oft überrascht worden.

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