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Politik: Hilfe mit Eigennutz

Die türkische Wirtschaft hofft auf viele Aufträge

Istanbul - Zuerst sträubte sich die Türkei gegen eine Militäraktion zur Entmachtung Muammar al Gaddafis, nun kann ihr die Installierung einer neuen Regierung in Libyen nicht schnell genug gehen. Die Übergangsregierung müsse so rasch wie möglich Zugriff auf alle eingefrorenen Auslandsguthaben erhalten, forderte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Freitag. Die Türkei unterstützt die Gaddafi-Gegner sogar mit 300 Millionen Dollar aus der eigenen Staatskasse. Vom „Brudervolk“ der Libyer spricht Davutoglu – doch ganz selbstlos ist das türkische Engagement nicht. Türkische Unternehmer stehen bereits in den Startlöchern, um ihre starke Position in Gaddafis Libyen auch für die neue Zeit zu sichern.

„Wir machen in Libyen da weiter, wo wir aufgehört haben“, verspricht Wirtschaftsminister Zafer Caglayan. Noch vor den Feiertagen am Ende des Fastenmonats Ramadan nächste Woche will Caglayan mit Unternehmern zusammenkommen, um die Rückkehr der Türken vorzubereiten. Nach den Feiertagen werde es dann losgehen: Die ersten Bauunternehmer könnten schon bald in die ost-libysche Oppositionshochburg Benghazi reisen, sagte er.

Vor Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi waren die Türken wirtschaftlich viel enger mit Libyen verflochten als ihre westlichen Partner. In den vergangenen Jahren hatten sich türkische Unternehmen staatliche Aufträge im Wert von 27 Milliarden Dollar gesichert, 25 000 türkische Arbeiter mussten nach Ausbruch der Gefechte ab Ende Februar aus dem Land gebracht werden. Besonders der türkische Bausektor war in Libyen sehr aktiv. Ersin Takla, der Chef des türkisch-libyschen Unternehmerverbandes, schätzt den Gesamtwert unvollendeter Vorhaben seiner Landsleute in Libyen auf zwölf Milliarden Dollar. Wie viel davon noch zu retten ist, weiß derzeit niemand. Doch auch der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur ist eine Chance, besonders für die rührige türkische Bauindustrie.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die internationale Militäraktion gegen Gaddafi mit den Worten kritisiert, einigen Akteuren gehe es wohl nur ums Öl in Libyen. Der Türkei dagegen sei vor allem an den Menschen gelegen. Und Außenminister Davutoglu hat mit mehrfachen Besuchen in Benghazi und mit Bargeld immer wieder an die Rolle der Türkei erinnert. Neben 100 Millionen Dollar an – nicht rückzahlbarer – Hilfe stellt Ankara weitere 200 Millionen Dollar an Krediten zur Verfügung. Während in Tripolis noch gekämpft wird, bereiten die Türken anderswo in Libyen den Neubeginn vor. Die Fluggesellschaft Turkish Airlines soll schon in den kommenden Tagen ihre Flüge von Istanbul nach Bengasi wieder aufnehmen. Susanne Güsten

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