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Politik: Hilfe vom Kommissar

Nach dem Bürgerkrieg in Sierra Leone müssen Kindersoldaten und missbrauchte Mädchen betreut werden – der Schauspieler Dieter Pfaff versucht zu helfen

Zuerst wollte Dieter Pfaff schnell wieder aus Sierra Leone weg. „Was ich dort erfahren habe, war kaum zu ertragen“, sagt der Schauspieler. Pfaff, auch bekannt als ZDF-Kommissar Sperling, reiste im Oktober auf Einladung des Kinderhilfswerks Unicef in das westafrikanische Land, das nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg mit der Aufarbeitung der Vergangenheit begonnen hat. Unicef brachte Pfaff mit Kindersoldaten und von Bürgerkriegskämpfern missbrauchten Mädchen zusammen. „Die Kinder wurden dazu abgerichtet, anderen Menschen die Ohren abzuschneiden oder die Hände abzuhacken“, berichtet Pfaff, der sich zur Hilfe entschloss.

Insgesamt sind mehr als 5000 Kinder von den Kriegsparteien – den Rebellen der Vereinigten Revolutionären Front (RUF) und den Regierungstruppen – in den Kampf geschickt worden. Viele wurden aus ihren Dörfern entführt, manchmal gaben Eltern ihre Kinder auch gegen Geld heraus. Mit Drogen voll gepumpt, wurden selbst Achtjährige zu willigen Tötungsmaschinen.

Der Krieg ging vor einem Jahr zu Ende – mit Hilfe von UN-Vermittlern und britischen Truppen. Dass er mehr als zehn Jahre dauerte, liegt nicht zuletzt am Diamantenreichtum Sierra Leones. Mit den Bodenschätzen konnten Regierung und Rebellen ihre Truppen immer wieder neu ausrüsten. Die wertvollen Steine weckten aber auch Begehrlichkeiten bei Außenstehenden – vor allem bei Charles Taylor, dem Präsidenten des Nachbarlandes Liberia. Taylor unterstützte die RUF, um sich die Kontrolle über die Diamantenvorkommen zu sichern. Abnehmer in den Industriestaaten spielten eine zwielichtige Rolle, denn sie kauften entgegen internationaler Vereinbarungen die so genannten Blutdiamanten. Unter UN-Aufsicht fanden im Mai die ersten Nachkriegswahlen statt. Dabei wurde Präsident Ahmad Kabbah, ein früherer UN-Diplomat, im Amt bestätigt. Kabbah ist zuversichtlich, dass der Bürgerkrieg nicht wieder aufflammt. Auch Dieter Pfaff ist optimistisch: „Mein Eindruck war, dass die Menschen nicht nur kriegs-, sondern ganz und gar aggressionsmüde sind. Während meines Aufenthalts in Sierra Leone habe ich kein lautes Wort gehört.“

Doch der Friede ist labil, und der Wiederaufbau des Landes wird lange dauern – ebenso wie die Vergangenheitsbewältigung. Mehr als 30 000 Menschen kamen im Krieg ums Leben, tausende wurden verstümmelt. Ein UN-Tribunal soll bei der Aufarbeitung helfen, Projekte für ehemalige Kindersoldaten sind angelaufen. „Die psychologische Betreuung ist dabei das Wichtigste, denn die Kinder sind schwer traumatisiert“, sagt Pfaff. Doch das allein reicht nicht. Unicef und andere Hilfsorganisationen haben auch Schulen und Ausbildungswerkstätten für freigelassene Kindersoldaten und missbrauchte Mädchen eingerichtet. Die Eltern werden ebenfalls betreut. Viele, berichtet Pfaff, hätten Angst vor ihren Kindern und wollten nicht, dass sie nach Hause zurückkehren. Sozialarbeiter und Psychologen bahnen Kontakte mit den Familien an. „Manchmal werden zunächst Videobotschaften ausgetauscht.“ Besonders schwer haben es die Mädchen – vor allem, wenn sie von Rebellen schwanger geworden sind. „Die meisten bleiben lieber bei ihren Peinigern, als sich der Diskriminierung in ihren Heimatdörfern auszusetzen“, sagt Pfaff.

Mit Unicef möchte der Schauspieler schon bald ein eigenes Hilfsprojekt starten: Mit einem gecharterten Flugzeug will er Schulbänke und einfaches Handwerkszeug nach Sierra Leone bringen. „Die Kinder kommen zu hunderten freiwillig wieder in die Schulen. Und die Lehrer auch. Doch in den Schulen gibt es gar nichts, keine Bänke, keine Tafeln, kein Unterrichtsmaterial“, sagt Pfaff. Mancherorts habe er bis zu 300 Schüler auf dem blanken Boden sitzen sehen, die gespannt einem einzigen Lehrer zuhörten. „Das hat mich unglaublich beeindruckt.“

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