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Karlheinz Böhm und seine Frau Almaz auf dem "Karl Square" in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Das war 2011. Böhm hatte die Geschäfte schon länger an seine Frau übergeben, und sie war noch völlig unumstritten. Das hat sich mit dem Kampf des Großspenders Jürgen Wagentrotz gegen Almaz Böhm und den Vorstand von "Menschen für Menschen" geändert.

© dpa

Hilfsorganisationen: Neue Vorwürfe gegen Äthiopienhilfe

Ehemaliger Großspender Wagentrotz kritisiert den Bau „überteuerter“ Schulen. Allerdings erschweren die Vorgaben der Regierung in Addis Abeba "Menschen für Menschen" die Arbeit - wie allen Helfern in Äthiopien.

Die Konflikte in der von Karlheinz Böhm gegründeten Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“ nehmen kein Ende. Seit einem guten Jahr prangert der ehemalige Großspender Jürgen Wagentrotz „zweifelhaftes Finanzgebaren“ der Hilfsorganisation an. Ende 2013 hat Almaz Böhm die Geschäftsführung nieder gelegt und sich in den Vorstand der Stiftung zurückgezogen. Doch Wagentrotz reicht das nicht. Er will den gesamten Vorstand zum Rücktritt zwingen. Am Dienstag veröffentlichte er neue Vorwürfe gegen die Organisation.

Wagentrotz hat eine Initiative mit dem Namen „Spendenskandal.com“ gegründet und wirft „Menschen für Menschen“ vor, „überteuerte Schulhäuser“ zu bauen. Außerdem behauptet Wagentrotz, dass Mitarbeiter der Stiftung persönlich von diesen Mehrausgaben profitierten. Er kritisiert zudem, dass die Schulhäuser der Regierung übergeben werden, die „alles verkommen lässt“. Wagentrotz sagt: „Dafür hat ,Menschen für Menschen’ unser Spenden nicht erhalten.“ Das ist starker Tobak. Allerdings kann Wagentrotz seine Vorwürfe, insbesondere den, Mitarbeiter der Organisation bereicherten sich an den Spenden, nicht belegen. Sein einziger Referenzpunkt ist der Hinweis auf eine kleine Hamburger Hilfsorganisation, Edget Baandnet Children Center, die ebenfalls Schulhäuser baut, dafür aber einen Bruchteil der Summe ausgibt, die „Menschen für Menschen“ ausweist.

Beate Wedekind ist aus dem Kuratorium ausgestiegen

„Menschen für Menschen“ wehrt sich mit einer Vielzahl von Gutachten, die auf der Homepage veröffentlicht sind, gegen die Vorwürfe. Doch das reicht vielen Unterstützern der Organisation nicht mehr. Beate Wedekind, Herausgeberin der Plattform „thenewafrica.info“, war im Mai 2010 ins Kuratorium der Hilfsorganisation berufen worden und ist im Mai 2012 wegen der sich abzeichnenden Unstimmigkeiten zurückgetreten. Sie sagte dem Tagesspiegel: „Was ich in der ganzen Auseinandersetzung nicht verstehe, ist, dass Menschen für Menschen sich nicht zu einer schonungslosen Transparenz gegenüber den Spendern entschließen kann, sondern nach wie vor keine Zahlen und Fakten vorlegt, die die Vorwürfe ein für allemal aufklären.“ Es sei „viel Geld“ für Gutachten ausgegeben worden, die dann aber nicht verwendet würden. „ Da fragt man sich doch: Warum nicht?“ Wedekind, die Karlheinz Böhm seit 1983 kennt, hat 2008 seine Biografie "Suchen, Werden, Finden" geschrieben und ist 2010 ins Kuratorium der Stiftung berufen worden.

Hilfsorganisationen stehen unter der Kontrolle der Regierung

Die Vorwürfe von Jürgen Wagentrotz beziehen sich allerdings überwiegend auf Punkte, die „Menschen für Menschen“ so wenig ändern kann wie jede andere Hilfsorganisation, die in Äthiopien arbeitet. Die Spielregeln gibt nämlich die Regierung in Addis Abeba vor. Und dass Hilfsorganisationen Schulen, die sie gebaut haben, nicht betreiben, ist der Normalfall. Das ist Aufgabe der Regierung, die sich das auch nicht aus der Hand nehmen lässt. Dennoch findet nicht in allen 363 Schulen, die „Menschen für Menschen“ seit Anfang der 1980er Jahre in Äthiopien gebaut hat, auch Unterricht statt. Es gibt Schulhäuser, die einfach verfallen sind oder als Ziegenställe genutzt werden. Diese frustrierende Erfahrung haben auch andere Hilfsorganisationen schon gemacht.

Was Wedekind verärgert, ist vor allem, dass die Hilfe in Äthiopien unter diesen Umständen nicht so wirksam sein kann, wie sie und die meisten Spender sich das wünschen. Doch die äthiopische Regierung gehört positiv ausgedrückt zu den „selbstbewussten Regierungen“, die sich von Gebern keine Vorschriften machen lassen. Negativ ausgedrückt, diktiert sie den Hilfsorganisationen die Bedingungen für ihre Arbeit. Daran ändern auch die Evaluierungsberichte nicht, mit denen sich „Menschen für Menschen“ zu wehren versucht.

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