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Vier Einschusslöcher in der Rückwand eines Hinrichtungsstuhl zeugen von der Erschießung Ronnie Lee Gardners im Juni 2010 in Utah.

© Trent Nelson/dpa

Hinrichtungen in den USA: Europa und der Fluch des Gifts

Weil Europa den Export von Chemikalien, die in den USA bei Hinrichtungen verwendet werden, verboten hat, werden Giftcocktails in den USA knapp. Stattdessen erlaubt der Bundesstaat Utah nun wieder Erschießungskommandos. Das war nicht das eigentliche Ziel.

Von Hans Monath

Hat das europäische Exportverbot für Medikamente in Hinrichtungscocktails dazu beigetragen, dass in den USA nun noch archaischere Tötungsmethoden zum Einsatz kommen? Seitdem der Bundesstaat Utah den Vollzug der Todesstrafe durch Erschießungskommando wieder erlaubt hat, steht die Frage im Raum, ob das nach jahrelangem Drängen erlassene Verbot das Schicksal von Todeskandidaten in Amerika wirklich lindert – oder vielmehr neues Leid heraufbeschwört, das kein Menschenrechtler vorausgesehen hat. Denn laut dem neuen Gesetz sollen Erschießungen in Utah dann zulässig sein, wenn bestimmte Medikamente für die Giftspritze nicht beschafft werden können.

Der Fluch der guten Tat

Die Verknappung der Medikamente für Hinrichtungen war das Ziel, als die EU-Kommission Ende 2011 die EU-Folterrichtlinie verschärfte. Seither zählen Thiopental-Natrium und das Narkosemittel Pentobarbital zu den Produkten, die nicht oder nur unter strengen Auflagen exportiert werden dürfen. Den US-Bundesstaaten gehen deshalb die Chemikalien aus, mit denen sie Verurteilte hinrichten.

„Man kann zu dem Schluss kommen, dass es der Fluch der guten Tat ist, den wir nun beobachten müssen“, sagt Markus Löning. Als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung in den Jahren 2010 bis 2013 war der Kampf gegen die Todesstrafe eines der zentralen Ziele des FDP-Politikers. Auch Amnesty International (ai) sieht den Zusammenhang. „Das EU-Exportverbot scheint der Hauptgrund für diese Entwicklung zu sein“, meint Pressesprecher Ferdinand Muggenthaler.

Trennung von Ursache und Folge

Das Exportverbot für die Bestandteile der Giftcocktails halten beide trotzdem weiterhin für richtig. „Wir dürfen und wollen uns nicht an Exekutionen beteiligen“, sagt Löning. AI-Vertreter Muggenthaler besteht auf der Trennung von Ursache und Schlussfolgerung. „Dass Utah nun diese Konsequenz zieht, kann man nicht der EU zurechnen“, argumentiert er. Seine Forderung: Utah solle die Todesstrafe „ganz abschaffen“.

Das verlangt auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), die seit vielen Jahren die Praxis von Exekutionen bekämpft. „Die Entscheidung in Utah ist innenpolitisch motiviert“, glaubt sie, sie habe gar nichts mit dem Mangel an Mitteln für Giftcocktails zu tun. Utah und andere Bundesstaaten stellten sich nämlich bewusst gegen den Trend, die Todesstrafe immer häufiger auszusetzen oder ganz abzuschaffen. „Der politische Wille der Verantwortlichen in den USA und ihr Festhalten an der zivilisationsfeindlichen Todesstrafe sind das eigentliche Problem“, meint die Grünen-Politikerin. Womöglich aber wird die deutsche Debatte auch bald durch ein Urteil des höchsten obersten Gerichtshofs der USA überholt: Nachdem eine Reihe von qualvollen Hinrichtungen Zweifel an den verwendeten Giftcocktails provoziert haben, soll im April der Supreme Court die Verfassungsmäßigkeit der Giftinjektion als Hinrichtungsmethode untersuchen.

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