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Politik: Hinter den Linden: Allein bei der SPD

Wer ein Bild sieht, glaubt gewöhnlich, was er sieht. Doch auch Bilder können lügen.

Wer ein Bild sieht, glaubt gewöhnlich, was er sieht. Doch auch Bilder können lügen. Manchmal sehen die Dinge doch anders aus, als es so offenbar den Anschein hat. Die SPD hat jetzt darauf hingewiesen. Im Tagesspiegel, wie in anderen Zeitungen, war ein Foto gedruckt worden, auf dem aus der Vogelperspektive leere Stuhlreihen im Atrium des Willy-Brandt-Hauses zu sehen waren. Einsam saß da nur eine Person. Eine Pressekonferenz sollte das Foto zeigen. Natürlich eine, die mangels spannender Neuigkeiten und der gleichzeitigen Mitteilung des Berliner Neuwahltermin im Abgeordnetenhaus ganz offenkundig nur auf wenig Interesse stieß. Nur ein Journalist.

Doch war der Mann überhaupt ein Journalist? Eher nicht, denn die Pressekonferenz fand gar nicht im Atrium statt. Manchmal, wenn mit großem Andrang gerechnet wird, laden die Sozialdemokraten zwar dorthin ein, doch im normalen Parteialltag werden Presse und Fernsehen an anderer Stelle darüber informiert, was Präsidium und Vorstand der SPD auf ihren montäglichen Sitzungen beraten und beschlossen haben.

So war es auch diesmal. Während im Atrium der einsame Besucher saß, gab Generalsekretär Franz Müntefering den in großer Zahl erschienenen Journalisten im Pressesaal im fünften Stock der Parteizentrale die Informationen, von denen er meinte, die Öffentlichkeit solle sie erfahren.

Auch vom Tagesspiegel war übrigens jemand dabei, die Berichterstattung war also gewährleistet. Jetzt müssen wir nur noch herausbekommen, wer währenddessen so einsam in den leeren Stuhlreihen im Atrium des Willy-Brandt-Hauses in Berlin-Kreuzberg saß.

Carsten Germis

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