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Politik: Hinter den Linden: Lecker Osten

Da maule noch einer herum, die Politiker würden im eigenen Saft schmoren und hätten gar keine Ahnung, wie die Realität auf Deutschlands Straßen aussieht. Alles alte Hüte, die zurecht an den Stammtischen abgestaubt wurden, als die Regierenden noch im Raumschiff Bonn saßen.

Von Antje Sirleschtov

Da maule noch einer herum, die Politiker würden im eigenen Saft schmoren und hätten gar keine Ahnung, wie die Realität auf Deutschlands Straßen aussieht. Alles alte Hüte, die zurecht an den Stammtischen abgestaubt wurden, als die Regierenden noch im Raumschiff Bonn saßen. Jetzt dürfen sich Politiker solche Unterstellungen verbitten.

Kein geringerer als der Bundestagspräsident selbst macht vor, wie man in der Hauptstadt die wirkliche Lage vorurteilsfrei recherchiert, um dann treffsichere Gesellschaftsanalysen abzugeben. Beispiel Ost: Kenner wissen, dass Wolfgang Thierse samstags vor dem Frühstück gern den Blick aus seinem Wohnzimmerfenster am Berliner Kollwitzplatz über die Wirklichkeit draußen schweifen lässt. Dort sieht er, umzingelt von gut frisierten und adrett gekleideten Passanten, Kollegen Jürgen Trittin am Ökostand des Marktes sachkundig Gemüse auswählen. Und war das da drüben nicht Alfred Biolek, der Austern schlürft?

In der Tat: Thierse bietet sich allwöchentlich ein Bild des Wohlstandes im einst heruntergekommenen Prenzlauer Berg. Jetzt wird klar, dass Thierse mit seiner Analyse vom Osten, der "auf der Kippe steht", keineswegs dem Untergang das Wort reden wollte. Wer gut zugehört hat, wusste schon damals, dass er das mit der "Kippe" anders gemeint hatte: dass der Osten zum Besseren kippt. Und weil es wohl seinerzeit zu wenige gute Zuhörer gab, präzisierte er nun noch einmal: "Im zwölften Jahr der Einheit muss für den Osten die Zeit des Nachahmens endlich zu Ende sein". Und da im Westen das Spardiktat herrscht, bedeutet das für den Osten: Austern zum Frühstück, mindestens.

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