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Politik: Hinter den Linden: Nein, aber nett

Menschen, die Mitglied in einer politischen Partei sind, wissen viel über so genannte Parteifreunde zu erzählen. Der Parteifreund, verkünden sie dann mit bitterer Stimme, sei oft schlimmer als der schlimmste Feind.

Menschen, die Mitglied in einer politischen Partei sind, wissen viel über so genannte Parteifreunde zu erzählen. Der Parteifreund, verkünden sie dann mit bitterer Stimme, sei oft schlimmer als der schlimmste Feind. Im Ringen um Macht ist Freund-Feind-Denken eben recht kräftig ausgeprägt. Welchen Stellenwert ein Politiker bei seinen Parteifreunden hat, zeigt sich bei Wahlen. Dann wird aufmerksam registriert, ob es mehr Nein-Stimmen gab als beim letzen Mal. Wenn das der Fall ist, tut es dem Bestraften weh. Die PDS, die den Binnenpluralismus hoch hält, möchte ihren Kandidaten diese bittere Erfahrung ersparen.

Zwar sind die Sozialisten froh, dass die Zeiten der SED vorüber sind, wo bei Wahlen stets fast 100 Prozent Zustimmung garantiert waren. Doch die Härten der Nein-Stimmen mag die Partei ihren Funktionären und Mandatsträgern dann doch nicht zumuten. Deswegen gibt es, anders als bei den anderen Parteien, bei der PDS keine Nein-Stimmen. Wir verdanken es dem Parteienrechtler Christian Pestalozza, auf diesen menschenfreundlichen Zug der PDS-Mitglieder gegenüber ihren Parteifreunden hingewiesen zu haben. Pestalozza bewertet diese Praxis allerdings nicht als menschenfreundlich sondern als undemokratisch. Auf den Wahlzetteln werde so nämlich der Eindruck vermittelt, dass die Vorsitzenden stets ohne Gegenstimmen gewählt werden, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt. Wer Nein sagen will, muss sich bei der PDS enthalten, oder er muss den Stimmzettel gleich zerknüllen, wegwerfen und damit ungültig wählen. Das ist erkennbar ein schonenderer Umgang mit den Parteifreunden als die Abstrafung mit der brutalen Nein-Stimme.

Aber Parteienrechtler Pestalozza lässt das nicht gelten. Nein, die PDS-Praxis schöne die Ergebnisse, sagt er. Ist bei Wahlen also alles Etikettenschwindel bei der PDS? Nicht unbedingt. Schließlich weiß ja jeder in der Partei, dass eine Enthaltung eigentlich nur ein weichgespültes Nein ist. Nehmen wir die letzte Vorstandswahl der PDS in Cottbus. Da bekam Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der bei den Dogmatikern unter seinen Parteifreunden nicht sonderlich beliebt ist, bei 422 gültigen Stimmen immerhin 83 Enthaltungen. Jeder wusste, was letztlich dahinter steckt: Ein verdecktes Nein. Warum also gleich ruppig werden, wenn man es auch anders sagen kann? Manchmal bleibt bekanntlich sogar besser haften, was durch die Blume gesagt wird. Auch bei Parteifreunden.

Carsten Germis

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