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Politik: Hinter den Linden: Planlos super

Der Kanzler war gerade im Anflug auf St. Petersburg, da stand am Montag im Europasaal des Auswärtigen Amtes das Verhältnis Deutschlands zu einer anderen Macht zur Debatte.

Von Hans Monath

Der Kanzler war gerade im Anflug auf St. Petersburg, da stand am Montag im Europasaal des Auswärtigen Amtes das Verhältnis Deutschlands zu einer anderen Macht zur Debatte. Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten D. Voigt, präsentierte ein fast 2000 Seiten starkes Handbuch über "Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945-1990", das am Deutschen Historischen Institut in Washington entstanden war. Und wie meist, wenn es um die Vergangenheit geht, gaben die Redner bei dieser Gelegenheit ein paar Ratschläge für die Gegenwart - im Europasaal übernahm der frühere US-Botschafter John Kornblum diesen Part. Der Ex-Diplomat, der sich durch seine bisweilen undiplomatische Art in Berlin nicht nur Freunde gemacht hat, wurde seinem Ruf gerecht. Er lobte zwar die Verfasser für ihre Arbeit, gestand dann aber, dass er das Buch nicht ganz gelesen habe. Schnell beklagte er sich darüber, dass zu wenige amerikanische Autoren zu dem Werk beigetragen hätten. Dann nutzte er die Gelegenheit, um den Zuhörern die Unterschiede zwischen amerikanischer und deutscher Mentalität drastisch vor Augen zu führen. Für Kornblum gibt es zwei Haltungen zur Welt. Die Amerikaner sehen in jedem Vorgang die Möglichkeit, die Herausforderung, sind zuversichtlich. Probleme sind da, um gelöst zu werden. Die Deutschen reagieren meist ein bisschen anders, "mit Vorsicht, vielleicht sogar mit Angst", und setzen auf Sicherheit, Stabilität, Strukturen. Ganz besonders übel aber nahm der langjährige Vertreter der letzten Supermacht den Autoren, dass sie sein Land so oft als "Hegemonialmacht" bezeichnen. Dazu brauche es einen Willen, einen Vorsatz, die Amerikaner aber seien gewissermaßen planlos stark. Das Publikum amüsierte sich über so viel Understatement. "Ich hätte es als Diplomat gerne gesehen, wenn wir einen Plan gehabt hätten", sagte der Ex-Botschafter da. "Ich kann Ihnen versichern: Den gibt es nicht." Ob das jemand dem aus Russland zurückgekehrten Bundeskanzler erzählt, bevor er das nächste Mal in die USA fährt?

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