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Politik: Hinter den Linden: Unterm Rad

Von wegen, in Berlin sei alles unübersichtlicher und unerträglich weitläufiger als in Bonn. An der Spree wie am Rhein ist die Zahl der Bundestags- oder Parteimitarbeiter groß, die den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem Fahrrad zurücklegen.

Von wegen, in Berlin sei alles unübersichtlicher und unerträglich weitläufiger als in Bonn. An der Spree wie am Rhein ist die Zahl der Bundestags- oder Parteimitarbeiter groß, die den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem Fahrrad zurücklegen. Wo gibt es auch so schöne Arbeitswege wie eine Fahrt von Moabit entlang der Spree und durch den Tiergarten in das neue Regierungsviertel in Mitte? Doch auch wer Prenzlauer Berg als neuen Heimatbezirk angibt, radelt gerne ins Büro, trotz der Fahrweise Berliner Autofahrer.

Einige Unermüdliche machen das sogar in diesen Tagen, an denen der Schnee Berlin tief in winterliches Weiß getaucht hat. "Hält fit", meinte zum Beispiel eine Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsfraktion. Schließlich sei das eine oder andere Fitness-Studio zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen, die Sportgruppe nicht aktiv. Die fette Weihnachtsgans hat auch dazu beigetragen, dass die eigenen Polster etwas dicker geworden sind. Lauter Argumente, auch in der kalten Jahreszeit aufs Rad zu steigen. Doch dieses Mal hatten die guten Vorsätze zur Folge, dass die Arbeit nach Weihnachten in dem einen oder anderen Büro etwas später begann als geplant. Die Radwege lagen schließlich noch unter zentimeterhohem Schnee verborgen. Also auf der Straße fahren. Bereits nach wenigen Metern klatschten die ersten schwarzen Schneematschbrocken an die Hosenbeine, die überholende Autos unter hämischen Blicken ihrer Fahrer hochschleuderten. Also doch wieder in den Schnee. Schlittern, rutschen, fahren. Nach der dritten Landung im nassen Weiß verliert da selbst der idyllische Tiergarten an Reiz. Immerhin hat es kaum jemanden gestört, dass auch der Arbeitsbeginn der meisten Radfahrer etwas später war. Die Politik hält in Berlin zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige schließlich Winterpause. Da gibt es selten Themen, die bedeutender sind als die kleinen Erlebnisse derer, die auch im Winter radeln.

Carsten Germis

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