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Politik: Hinter Schloss und Riegel

Am Montag beginnt in Rom das Konklave zur Wahl des neuen Papstes – Geschichten einer 1000-jährigen Tradition

Der polnische Kardinal Henryk Gulbinowicz ist auf einen Schlag um fünf Jahre gealtert – aber nicht wegen der Bürde seines Amtes. Angesichts der nahenden Papstwahl plagte den langjährigen Erzbischof von Breslau das Gewissen, und er gab im Vatikan zu, sein Geburtsdatum gefälscht zu haben: Um nicht von den Nazis in ein Arbeitslager verschleppt zu werden, hatte er sich während des Zweiten Weltkriegs um fünf Jahre jünger gemacht, als er war. Gulbinowiczs Ehrlichkeit hat nun ihren Preis: Er gilt nicht mehr als 76, sondern ist 81 Jahre alt und darf nicht mehr an der Papstwahl teilnehmen.

Nun liegen nur noch 117 von 183 Kardinälen unter der Altersgrenze von 80 Jahren, die Paul VI. verfügt und die Johannes Paul II. gegen alles Murren der Betroffenen bestätigt hat. Zwei haben bereits krankheitshalber abgesagt – aber selbst wenn am kommenden Montag nur 115 Kardinäle in feierlicher Prozession zur Sixtinischen Kapelle schreiten, so wird es doch das größte Konklave der Kirchengeschichte werden. Der bisherige Rekord, aufgestellt 1978 zur Wahl Johannes Pauls II., steht bei 111 Teilnehmern.

Und das kleinste Konklave? Abgesehen von den einsamen Entscheidungen mittelalterlicher Kaiser, die – wie die drei Ottos oder Heinrich III. – einige Päpste nach persönlichem Gutdünken eingesetzt haben, ist die Wahl Urbans IV. 1261 rekordverdächtig. An ihr nahmen nur acht Kardinäle teil, aber sie brauchten drei Monate, um sich zu einigen.

Hatten im ersten Jahrtausend noch die Stadtherren und das Volk von Rom die Päpste bestimmt, so beschränkte Nikolaus II. 1059 als Erster das Wahlrecht auf die Kardinal-Bischöfe, also die (wörtlich) „Dreh- und Angelpunkte“ der römischen Geistlichkeit. Aber nur 14 Jahre später ließ sich ein gewisser Hildebrand schon wieder durch „Zuruf des Volkes“ ins Amt hieven – nicht ohne dieser „Spontanbegeisterung“ zuvor kräftig nachgeholfen zu haben. Politisches Geschick besaß der Mann: Als Gregor VII. machte er dem deutschen Kaiser Heinrich IV. erhebliche Schwierigkeiten – Canossa war nur der Höhepunkt.

„Konklave“ bedeutet wörtlich „mit Schlüssel“. Die erste Wahlversammlung, die tatsächlich hinter Schloss und Riegel stattfand, war die Wahl Cölestins IV. 1241. Der Stadtregent von Rom sperrte die zehn zerstrittenen Kardinäle in die Ruine eines altrömischen Königspalasts ein. In der glühenden Sommerhitze, kujoniert von Wächtern, die ihr Geschäft dort verrichteten, wo es den Geistlichen am meisten stinken musste, starb ein Kardinal, und selbst der neue Papst überlebte die Strapazen nur um 17 Tage.

Hart gingen auch die Bewohner von Viterbo mit dem längsten Konklave der Kirchengeschichte um. Als die Kardinäle fast drei Jahre lang ergebnislos beraten hatten, deckten die Stadtbehörden 1271 einfach das Dach des Papstpalastes ab und strichen den Geistlichen das Essen. Letzteres war offenbar sehr wirkungsvoll, denn Gregor X., der daraus hervorgegangene Papst, machte die Zwangsmaßnahme zum Kirchengesetz. Schon nach drei Tagen erfolgloser Wahl, so beschloss ein Konzil in Lyon 1274, sollte es nur mehr eine Mahlzeit pro Tag geben; vom achten Tag an Wasser und Brot. Aber so eng sah man das im Zweifelsfall auch nicht: Karl von Anjou, der 1276 einen französischen Papst durchsetzen wollte, ließ nur den italienischen Kardinälen das Essen streichen, nicht aber seinen Landsleuten, die ja durchhalten mussten.

Immer wieder haben Herrscher und politische Gegner versucht, das Konklave in ihrem Sinn zu steuern, mit wechselndem Erfolg. Innozenz XI. wurde 1676 ausdrücklich deswegen gewählt, weil der französische König ihn ablehnte; der Holländer Hadrian VI., der letzte nichtitalienische Papst vor Johannes Paul II., kam als „Neutraler“ ins Amt, weil sich die Kardinäle nicht zwischen deutschen und französischen Parteigängern entscheiden mochten. 1559 brach man sogar ein Loch in die Außenwand der Sixtinischen Kapelle, damit sich die Abgesandten der weltlichen Mächte an den Intrigen im Inneren beteiligen konnten. Pius IV. wurde erst gewählt, als Philipp II. von Spanien offiziell auf jedes Veto verzichtet hatte.

Der letzte – bekannte – Einfluss einer politischen Macht verhinderte 1903 die Wahl von Kardinal-Staatssekretär Mariano Rampolla zum Papst. Mitten im Konklave überbrachte der Erzbischof von Krakau ein Veto von Kaiser Franz Joseph: Dem Österreicher war Rampolla zu franzosenfreundlich. Und die Kardinäle waren der Donaumonarchie einen Dank schuldig. Erstens hatte Wien den Kirchenstaat lange gegen die italienische Unabhängigkeitsbewegung geschützt; zweitens hatte 1800 eine Papstwahl überhaupt nur unter österreichischem Schutz stattfinden können. Weil der Druck der französischen und der italienischen Revolutionäre auf Rom zu groß war, flohen die Kardinäle nach Venedig. Es war das bisher letzte Konklave außerhalb Roms.

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