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Hintergrund: Helfen Internetfilter gegen Kinderpornografie?

Der Vorstoß klingt plausibel: Der Zugang zu Kinderpornografie-Seiten im Internet soll künftig weitgehend blockiert werden. So hat es das Bundeskabinett heute beschlossen. Dazu wird ein Filtersystem aufgebaut, das den Aufruf solcher Seiten unmöglich macht. Aber funktioniert das auch in der Praxis?

Der Ansatz ist wichtig, aber funktioniert er auch in der Umsetzung? Tatsächlich ist es umstritten, ob eine Blockade Kinderpornografie eindämmen kann. Manch ein Kritiker glaubt zudem, Internet-Sperren würden den Datenschutz unterlaufen. Andere sprechen gar von Zensur. Was also bringt ein automatisches Filtersystem? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wie groß ist die Kinderporno-Szene?

Laut einer britischen Studie sind 80 Prozent der Opfer von Kinderpornos jünger als zehn Jahre, ein Drittel unter drei Jahren und zehn Prozent unter zwei Jahren. Bis zu 80 Euro im Monat zahlen Nutzer in Europa, um sich die Filme aus dem Internet herunterzuladen. Für die Anbieter ein lukratives Geschäft: Einer Studie der G-8-Staaten zufolge verdient die Branche in einer Woche rund 1,3 Millionen US-Dollar.

Wie soll die Internet-Sperre funktionieren?

Das Bundeskabinett hat bislang nur die Eckpunkte für die Sperrung kinderpornografischer Seiten beschlossen. Die Einzelheiten sind noch unklar. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder werden die einschlägigen Webseiten direkt bei den Internetprovidern gesperrt oder erst beim Nutzer. Im zweiten Fall müsste ein Filtersystem das komplette Surfverhalten des Nutzers durchleuchten und den Zugang blockieren, sobald der eine Kinderpornografie-Seite aufrufen will.

Die Liste mit den zu sperrenden Seiten sollen die Provider vom Bundeskriminalamt (BKA) bekommen, das schon jetzt kinderpornografische Internetseiten aufspürt. Damit der Nutzer bemerkt, dass er etwas falsch gemacht hat, soll nach norwegischem Vorbild ein rotes Stopp-Schild auf dem Bildschirm erscheinen.

Was würde ein Internetfilter bringen?

Von einer Sperrung der Seiten darf man nach Ansicht der Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz "keine Wunder“ erwarten. "Der Zugang zu Internetseiten kann blockiert werden, aber nicht der Zugang zu Pornografie. Der Konsum verschiebt sich auf ausländische Seiten oder auch auf den Postweg“, sagt Deligöz, Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestags.

Auch Harald Summa, Geschäftsführer des Providerverbandes Eco, widerspricht Erwartungen, durch die Filterung könne die Kinderpornografie an sich verhindert werden. "Wir erschweren nur den Zugang zu den Seiten und schützen die zufälligen Besucher. Einen Effekt auf die Anzahl der kinderpornografischen Seiten wird das Gesetz jedoch nicht haben“, sagt Summa. "Die Nutzer, die solche Seiten absichtlich ansteuern, haben ganz andere Kanäle und technische Möglichkeiten wie verschlüsselte Seiten.“

Das hat auch der Fall Tauss gezeigt: Die Szene geht offenbar dazu über, ihre Bilder und Filme über MMS oder DVDs zu verbreiten. Ein Filtersystem wie es die Bundesregierung jetzt beschlossen hat, richtet sich also vor allem gegen technisch weniger versierte Internet-Nutzer und solche ohne direkten Anschluss an die Kinderporno-Szene.

Kann das Filtersystem auch für andere Zwecke missbraucht werden?

Es herrscht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Filterung auf einer klar umrissenen gesetzlichen Grundlage beruhen muss, die eine inhaltliche Ausweitung etwa auf Terrorismusbekämpfung verhindert. Ob dies auf Dauer gelingt, ist nicht ausgemacht: Einige Politiker haben schon angeregt, das Filtersystem auch auf Glücksspiel-Seiten und Bombenbauanleitungen auszuweiten. Nach dem Amoklauf von Winnenden wurde gefordert, so genannte Killerspiele im Netz zu blockieren – manche dieser Spiele werden im Multiplayer-Modus über das Internet gespielt.

Ist der Datenschutz gefährdet?

Datenschützer haben sich bislang zurückhaltend über Internetsperren geäußert. "Grundsätzlich gibt es bei dem Blockieren solcher Seiten kein Datenschutzproblem“, sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Dies ändert sich schlagartig, wenn die Kinderporno-Seiten nicht schon beim Provider sondern erst beim Nutzer blockiert werden würden.

"Wenn etwa die Telekom auswertet, welche Internetadresse jemand aufruft, wäre das eine komplett neue Technologie. Damit müsste im Grund das gesamte Surfverhalten eines Nutzers durch solch einen Filter hindurch – und da sehe ich durchaus ein Datenschutzproblem“, sagt Schaar. So würde eine Überwachungsstruktur geschaffen, die sich mühelos auf andere Inhalte ausweiten ließe. "Es muss vermieden werden, dass normales individuelles Surfverhalten nachverfolgt wird.“ Sonst könnte solch ein Filter etwa auch für die Kontrolle von Urheberrechten benutzt werden.

Welche weiteren Probleme gibt es?

Die Filtertechnik ist alles andere als trivial. August-Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Spitzenverbandes Bitkom, weist darauf hin, dass mit technischen Probleme wahrscheinlich sind. Von den Sperrungen können beispielsweise auch saubere Seiten betroffen sein. In Finnland sollen auch unbescholtene Unternehmen auf der Liste gelandet sein. In Australien geriet die Homepage eines Zahnarztes auf den Index.

Unklar ist, über welche Größenordnung bei der Sperrung gesprochen wird. Statt 1000 Seiten mit Kinderpornografie musste die norwegische Liste nach Angaben von Eco zwischenzeitlich auf 6000 erweitert werden – was höhere Kosten nach sich zieht. Eine tägliche Aktualisierung der Liste reicht außerdem nicht aus, es gehe eher um stündliche Updates gehe, sagt der Geschäftsführer des Providerverbandes Summa. Zudem sei die Liste bereits erfolgreich gehackt und ins Internet gestellt worden.

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