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Hintergrund: Mehr Mindestlöhne - aber nicht für alle

Für mehr Arbeitnehmer als bisher soll künftig eine Mindestentlohnung gelten - nicht aber in Form eines generellen Mindestlohns für alle, wie es die SPD gefordert hatte. Die geplanten Regelungen im Überblick.

Für mehr Arbeitnehmer als bisher soll künftig eine Mindestentlohnung gelten - nicht aber in Form eines generellen Mindestlohns für alle, wie es die SPD gefordert hatte. Stattdessen soll es zwei Verfahren geben: Zum einen branchenbezogene Mindestlöhne über das Arbeitnehmerentsendegesetz, wie es bereits für Bauwirtschaft und Gebäudereiniger gilt; zum anderen Mindestlöhne für weitere Branchen durch eine Neufassung des bislang kaum anwendbaren Mindestarbeitsbedingungsgesetzes von 1952. Keine gesetzliche Regelung wird es zu sittenwidrigen Löhnen geben. Die Frage staatlicher Ergänzungszahlungen bei Verdiensten unter Hartz-IV-Niveau wurde vertagt.

Alle Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent können künftig in das Entsendegesetz aufgenommen werden. Dies müssten die Tarifvertragsparteien der entsprechenden Branche bis Ende März 2008 beantragen. Auch eine nachträgliche Aufnahme weiterer Branchen bleibt aber möglich. Über den Antrag befindet zunächst der Tarifausschuss, dem je drei Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern angehören. Sind mindestens zwei Mitglieder für einen Mindestlohn, kann das Bundeskabinett auf Vorschlag des Bundesarbeitsministers einen für diese Branche allgemein verbindlichen Mindestlohn per Verordnung festlegen. Dieser gilt dann jeweils auch für ausländische Arbeitnehmer, um Lohndumping zu verhindern.

Welche Branchen davon betroffen sein werden, ist offen. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) nannte als relativ sichere Kandidaten für ein Erreichen der 50-Prozent-Quote die Wach- und Sicherheitsdienste, die Entsorgungswirtschaft, Leiharbeit und Postdienste. Unklar ist die Lage für Friseure, Einzelhandel, Hotels und Gaststätten. Die 50-Prozent-Quote gab es im Entsendegesetz bisher nicht. In allen Branchen müsste es zudem einen entsprechenden bundesweiten Tarifvertrag geben, was bislang selten der Fall ist. Ein solcher Tarifvertrag könnte bei der Höhe des Mindestlohns wie bisher auch Differenzierungen nach Regionen oder zum Beispiel nach der Berufserfahrung vorsehen.

Hohe Hürden

Für Wirtschaftszweige, in denen es keine Tarifverträge gibt oder eine Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitnehmer besteht, sollen Mindestlöhne trotzdem möglich werden. Allerdings gibt es für diese Fälle hohe Hürden. Branchenübergreifend soll es einen Hauptausschuss geben, dem je drei Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern angehören. Dazu kommt ein gleichfalls stimmberechtigter Vorsitzender, auf den sich beide Seiten verständigen müssen. Gelingt ihnen das nicht, wird der Vorsitzende vom Bundeskabinett auf Vorschlag des Arbeitsministers eingesetzt.

Der Hauptausschuss entscheidet darüber, für welche Branchen Mindestlöhne festgesetzt werden sollen. Über Höhe und Ausgestaltung entscheidet dann ein nach dem gleichen Prinzip wie der Hauptausschuss zusammengesetzter branchenbezogener Fachausschuss. Dessen Empfehlung kann dann vom Bundeskabinett auf Vorschlag des Arbeitsministers per Verordnung für allgemein verbindlich erklärt werden. Die Regierung muss dies allerdings nicht tun.

Gewerkschaft: Verfahren zu kompliziert

Als Branchen, die für dieses zweite Verfahren in Frage kommen, gelten aus Sicht der SPD besonders die Land- und Forstwirtschaft, die fleischverarbeitende Industrie und der Gartenbau. Theoretisch könnten dies aber alle Bereiche mit einer Tarifbindung von unter 50 Prozent sein. Gewerkschafter kritisieren das Verfahren als zu kompliziert und zu leicht durch Arbeitgeber blockierbar. Besonders kleinere Wirtschaftsbereiche könnten so kaum berücksichtigt werden.

Die Gesamtzahl der voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer nach dem Verfahren über das Arbeitnehmerentsendegesetz bezifferte Müntefering mit vier bis 4,5 Millionen. Für die Zahl der möglicherweise vom zweiten Verfahren Betroffenen lagen zunächst keine Schätzungen vor.

Benno König[AFP]

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