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Hisbollah: Kriegsgeschrei im Libanon

Die Hisbollah reagiert wütend, weil das Haager Tribunal ihr den Mord an Ex-Premier Hariri vorwirft.

Der Scheich wirkte fahrig und nervös. Libanons Premier Saad Hariri habe ihn persönlich informiert, dass das Tribunal in Den Haag „einige undisziplinierte Mitglieder der Hisbollah“ anklagen werde, erklärte Hassan Nasrallah, Chef der schiitischen „Partei Gottes“. Der Libanon gehe einer „ganz kritischen Phase“ entgegen, fügte er hinzu. „Aber wir haben keine Angst und wissen uns zu verteidigen“ – eine kaum bemäntelte Drohung, notfalls wieder zu den Waffen zu greifen.

Seit dem ungewöhnlichen Presseauftritt per Videoverbindung aus seinem Versteck heraus machte Nasrallahs brisante Nachricht in Beirut die Runde. Bis spätestens Dezember will das „Sondertribunal für den Libanon“ die Anklagen für den Mord an Ex-Premier Rafik Hariri auf den Tisch legen. In dem fragilen Zedernstaat könnten die Namen neue schwere Turbulenzen auslösen.

Im Mai 2008 starben über hundert Menschen bei Straßengefechten zwischen der Hisbollah und sunnitischen Milizen. In der südlichen Grenzregion kam es kürzlich sogar zu Scharmützeln zwischen Dorfbewohnern und UN-Blauhelmen. Und zwischen Israel und der Hisbollah schaukelt sich die Kriegsrhetorik jetzt schon seit Monaten hoch. Eilends rief Libanons Präsident Michel Suleiman dann auch die politischen Führer seines Landes zusammen wegen „der heraufziehenden Gefahren, die Ruhe und Stabilität zerstören könnten“.

Nach dem Bombenanschlag auf den 61-jährigen libanesischen Ex-Premier am 14. Februar 2005 galt Syrien zunächst als Hauptverdächtiger, auch wenn Damaskus die Vorwürfe stets zurückwies. Erstmals im Sommer 2006 berichtete dann die französische Zeitung „Le Figaro“, die Ermittler zögen auch eine Täterschaft der Hisbollah in Betracht. Im Mai 2009, zwei Wochen vor den libanesischen Parlamentswahlen, legte der „Spiegel“ mit einer umfangreichen Dokumentation nach. Jedes Mal bestritt die Hisbollah vehement jede Verwicklung, sprach von bösartigen Verleumdungen und beschimpfte den Gerichtshof als „israelisches Projekt“. Doch die Ermittler in Den Haag ließen sich nicht beirren. Im Frühjahr verhörten sie ein erstes Dutzend Hisbollah-Mitglieder. Mitte September, nach Ende des Ramadan, soll eine zweite Serie von Vernehmungen folgen.

Denn nach Angaben von „Le Figaro“ und „Spiegel“ war es libanesischen Spezialermittlern gelungen, aus Millionen von Handydaten zwei Ringe von verdächtigen Mobiltelefonen herauszufiltern. Acht Handys, intern auch „der erste Kreis der Hölle“ genannt, seien in den Tagen vor dem Anschlag sowie am Tattag selbst immer nur in der Nähe Hariris verwendet worden. Alle diese Geräte waren sechs Wochen zuvor in der nordlibanesischen Stadt Tripolis gekauft worden und gehörten offenbar den direkten Bombenlegern. Der „zweite Kreis“ bestand laut „Spiegel“ aus zwanzig Handys, die auffällig oft in der Nähe des ersten Mobilrings geortet werden konnten. Ihre Besitzer waren offenbar die Hintermänner, welche die Planung der Mordtat steuerten.

Auf die Spur der Hisbollah kamen die Fahnder, weil sie einen Täter identifizieren konnten, der von seinem Anschlagshandy aus ein einziges privates Gespräch mit seiner Freundin geführt hatte. Der Mann wurde im Iran trainiert und ist seither verschwunden. Sein Name führte dann laut „Spiegel“ zum eigentlichen Drahtzieher des Hariri-Mordes, dem Hisbollah-Kommandeur Hajj Salim. Der habe direkt an Hisbollah-Chef Nasrallah und den iranischen General Kassim Sulaimani berichtet, der die Al-Quds-Brigaden der Revolutionären Garden kommandiert. Der findige libanesische Polizeioffizier allerdings hat seinen Spürsinn mit dem Leben bezahlt. Im Januar 2008 starber bei einem Anschlag – ausgeführt von einem Terrorkommando der Hisbollah.

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