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Die Volkskammer (hier vor allem die Fraktionen von CDU und SPD) applaudiert der Beitrittsentscheidung.

© dpa

Historische Entscheidung vor 25 Jahren: Wie die Volkskammer den Beitritt beschloss

In der Nacht zum 23. August 1990 beschloss die DDR-Volkskammer den Beitritt zur Bundesrepublik – für den 3. Oktober. Eine Entscheidung nach einigem Durcheinander.

Gregor Gysi hat viel geredet in seinem Parlamentarierleben. Das begann im März 1990 in der letzten Volkskammer, üblicherweise als die frei gewählte bezeichnet. Zu seinen klassischen Sätzen gehört zweifellos jener in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1990: „Das Parlament hat soeben nicht mehr und nicht weniger als den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik zum 3. Oktober 1990 beschlossen.“ Das letzte Wort ging im Jubel unter, nicht von Gysis PDS natürlich, vor allem Abgeordnete der CDU, der DSU, der FDP und auch der SPD klatschten der nüchternen Feststellung Beifall.

Die Volkskammer hatte kurz zuvor, am frühen Morgen, den Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes beschlossen. Für Gysi war damit die Vereinigung „zum Anschlussprozess degradiert“; für seine Partei kündigte er an, sie wolle Teil einer demokratischen Opposition sein. Das macht Gysi seither im Bundestag; außer ihm sitzen von den damaligen Volkskammerabgeordneten noch sein Parteikollege Roland Claus und die CDU-Politikerinnen Katharina Landgraf und Maria Michalk im Bundestag.

Wochenlang umstritten

Der Tag des Beitritts war wochenlang umstritten. Bis in die nächtliche Sitzung hinein – sie war von Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) ohne Vorankündigung um 19 Uhr beantragt worden – herrschte ein Durcheinander. Wobei am 22. August immerhin eines längst klar war: Der andere mögliche Weg über den Artikel 146 des Grundgesetzes, der praktisch eine Neugründung der Bundesrepublik samt Verfassungsgebung und Volksabstimmung bedeutet hätte, hatte keine Mehrheit. Ein neues Grundgesetz hätte wohl auch nicht wesentlich anders ausgesehen als das geltende. Und der Vereinigungsprozess sollte nicht zu lange dauern.

De Maizière hatte am 2. August den Bundeskanzler im Sommerurlaub am Wolfgangsee aufgesucht und Helmut Kohl deutlich gemacht, dass seine Regierung die Situation in der DDR wohl nicht mehr lange im Griff haben würde. Er schlug daher den Beitritt für den 14. Oktober vor, den Tag, an dem auch die Landtagswahlen in den fünf neuen Ländern stattfinden sollten.

Ein Beitritt also, aber wann? Wolfgang Thierse sprach von einem „Schauspiel“, das da veranstaltet worden sei, mit „12, 13, 14 Terminvorschlägen“ allein von der CDU. Zwischen „möglichst jetzt“ und „möglichst gar nicht“ reichten die Erwartungen und Wünsche in den Fraktionen. Die rechtsgestrickte DSU legte einen Antrag für einen sofortigen Beitritt vor. Keine Mehrheit. Thierse und seine SPD- Fraktion, die zwei Tage zuvor erst ihre Minister aus der Regierung zurückgezogen hatte, schlugen nun den 15. September vor. Keine Mehrheit.

Thierse schiebt Bedenken beiseite

Außenminister Markus Meckel (SPD) hatte zuvor zu bedenken gegeben, dass erst das KSZE-Gipfeltreffen am 2. Oktober abgewartet werden sollte, auf dem die Rückerlangung der vollen Souveränität Deutschlands abgeschlossen werden sollte. Gysis PDS warb im Verein mit de Maizière dann für den 9. Oktober. Andere im Plenum plädierten für den 2. Dezember, den Tag, für den die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen anberaumt waren. Der 7. Oktober wiederum spielte insofern eine Rolle, als viele in der Volkskammer keinen 41. Jahrestag der DDR mehr erleben wollten. Und so landete man am Ende in einer Art Reduktionsprozess beim 3. Oktober als Beitrittsdatum. Nicht zu früh, nicht so spät. Thierse hielt den Skeptikern entgegen, man solle doch bitte nicht die „schwarze Illusion“ erwecken, „dass wir unter die Räuber fallen“.

Gegen ein Uhr wurde vom amtierenden Parlamentspräsidenten Reinhard Höppner (SPD) der Abstimmungsantrag vorgelesen. Mehrfach, denn schriftlich lag er zunächst nicht vor, erst später wurde er als Drucksache 201 verteilt. 294 Abgeordnete stimmten dafür, 62 dagegen, sieben enthielten sich. CDU, DSU und FDP hatten geschlossen dafür gestimmt, bei der SPD gab es vier Abweichler. Im Bündnis 90 votierten nur zwei Abgeordnete mit Ja, einer hieß Joachim Gauck. Die PDS war geschlossen dagegen. Kurz vor drei Uhr war einmal mehr Geschichte geschrieben im Ost-Berliner Parlament.

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