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Politik: Historische Last

Polens Regierungspartei SLD verweigert sich der Erneuerung

Draußen, im Kongress-Foyer brutzelten die Bratwürste lustlos in ihrem Fett. Drinnen im Sitzungssaal des Warschauer Gromada-Hotels schmorten die Delegierten von Polens sozialdemokratischer Regierungspartei SLD, um sich nicht minder freudlos an den selbstverordneten Neubeginn zu wagen. Um ihre völlige Marginalisierung zu vermeiden, benötige die auf ein historisches Umfrage-Tief gesunkene Partei einen radikalen Wandel, redete Parlamentspräsident Marek Borowski zum Auftakt des Sonderparteitags den Delegierten ins Gewissen.

„Die Prognosen lügen nicht, kosmetische Änderungen genügen nicht,“ mahnte der Abgeordnete Richard Kalisz. Doch das flammende Flehen des Reformflügels nach einem Neubeginn blieb ungehört. Mit Fraktionschef Krzyszstof Janik kürte der SLD am Wochenende einen treuen Statthalter von Premier Leszek Miller zum neuen Parteichef.

Er habe keinerlei Favoriten für seine Nachfolge, hatte der wegen des dramatischen Popularitätsverlusts der Partei zum Rückzug gezwungene Miller versichert. Doch seinem Ruf als Strippenzieher wurde der Premier auch bei seinem letzten Auftritt als Parteichef allemal gerecht. Den Antrag Borowskis, Partei- und Regierungsämter konsequent zu trennen, bügelte Miller ab. Nachdem mit Innenminister Jozef Oleksy der einzig aussichtsreiche Kandidat des Reformflügels vorzeitig seinen Verzicht erklärt hatte, zog auch die frühere Staatssekretärin Jolanta Banach ihre Kandidatur aus Protest gegen die Ablehnung des Borowski-Vorschlags zurück. Der letzte verbliebene Reformer im Kandidatenfeld, Andrzej Celinski, landete abgeschlagen auf dem fünften und letzten Platz. „Der alte SLD-Beton lässt keine neuen Gesichter zu“, höhnte Andrzej Lepper, Chef der populistischen Bauernpartei Samoobrona.

Unbequeme Analysen wollten die Delegierten nicht hören, schwelgten lieber in kaum verhüllter Sehnsucht nach Polens sozialistischer Vergangenheit. Nicht alles sei in der Volksrepublik schlecht gewesen, bekundete SLD-Generalsekretär Marek Dyduch. „In unserer Partei ist für Sozialliberale und Kommunisten Platz“, versicherte Janik. Den immer tiefer werdenden Riss zwischen Parteibeton und Reformflügel vermochte er mit diesem Bekenntnis nicht zu kitten. Er arbeite gern mit Leuten zusammen, die für ihre Fehler einstehen könnten, trat Wahlverlierer Celinski zum Abschluss des Parteitags entnervt aus dem SLD-Präsidium zurück: „Doch weniger gerne arbeite ich mit Menschen, die politische Dreistigkeit charakterisiert.“

Thomas Roser[Warschau]

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