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Historischer Wahlsieg: Grüne wollen neue Mitte sein

Baden-Württembergs designierter Regierungschef Kretschmann verspricht einen anderen Politikstil. Bundeskanzlerin Merkel gibt ihre Niederlage zu.

Von Lutz Haverkamp

Berlin - Nach dem historischen Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg verspricht der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen neuen Politikstil. „Die Leute haben genug vom konfrontativen Regierungsstil von Stefan Mappus, von diesem Durchregieren, von diesem Machtinspirierten“, sagte Kretschmann, der als erster Grüner überhaupt eine Landesregierung führen wird, am Montag in Berlin.

Mit dem Wahlsieg seien enorme Erwartungen verbunden. „Damit müssen wir verantwortlich umgehen“, sagte Kretschmann. Es sei völlig neu, dass den Grünen die Führungsaufgabe zugewiesen werde. „Das ist ein gewaltiger Umstellungsprozess.“ Wichtig sei, „dass wir die Überschriften des Wahlkampfs – eine Politik des Gehörtwerdens, eines Schritts in die Bürgergesellschaft – einlösen.“ Unvorbereitet seien die Grünen nicht. „Wir haben schon gewusst, dass es auf uns zukommen wird.“ Die klare Wechselstimmung sei spürbar gewesen. „Wir werden versuchen, dieses Land mit Besonnenheit, Maß und Mitte zu führen.“

Auch die Bundesspitze der Partei betonte die neue Dimension. Auf die Grünen komme ein „großes Maß an Verantwortung“ zu, sagte der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir in Berlin. Die Grünen könnten nun beweisen, „dass wir das können mit der Regierung“. Dies sei auch eine Chance für die weiteren Wahlen. Kretschmann wollte noch am Montagabend mit der SPD und ihrem Spitzenkandidaten Nils Schmid über die Bildung einer Koalition sprechen. Erstes Ziel soll ein vorübergehender Baustopp für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sein. Später soll laut Schmid „eine Volksabstimmung“ über das Bauvorhaben stattfinden.

Auch in Rheinland-Pfalz geben sich die Grünen selbstbewusst. Dort will die Partei mit der SPD über eine rot-grüne Regierung verhandeln, es sollen aber auch Gespräche mit der CDU geführt werden. Mit beiden gebe es Kontakt, bestätigte die Spitzenkandidatin der rheinland-pfälzischen Grünen, Eveline Lemke. Möglichkeiten werde man „nicht verschenken“.

Bei den Wahlverlierern CDU und FDP herrschte indessen Katerstimmung. Der abgewählte baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gaben am Abend ihre Ämter an den jeweiligen Parteispitzen auf. Als neue CDU-Chefin im Südwesten wird die bisherige Umweltministerin Tanja Gönner gehandelt. Brüderle kündigte an, er werde auf dem Sonderparteitag der Landes-FDP am 7. Mai nicht mehr als Parteichef kandidieren.

Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende bezeichnete die Wahlschlappe in Baden-Württemberg als „sehr schmerzlichen Tag“. Er markiere einen „tiefen Einschnitt“, den die Partei nicht an einem Tag verkraften werde. Personelle Konsequenzen oder eine Kabinettsumbildung seien nicht geplant. Auch wolle sie sich in der Atompolitik nicht drängen lassen. Es bleibe dabei, dass bis Mitte Juni die Konsequenzen aus der Katastrophe in Japan gezogen würden. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte, er glaube, dass die sieben ältesten Meiler auf Dauer abgeschaltet würden. Alles andere wäre ein Vertrauensbruch. Bundesumweltminister Röttgen bekräftige am Abend seine Absicht, die Laufzeiten von Atomkraftwerken „so weit es geht“ zu verkürzen

In der FDP begann erneut eine Personaldebatte, Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle sagte aber, dass über das künftige Team bis zum Parteitag im Mai beraten werde. mit dpa

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