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Politik: Hoffen auf Bush II

Die Bundesregierung ist noch unsicher, ob der US- Präsident nun eine zahmere Politik betreiben wird

Von Hans Monath

Berlin - Wer schläft, ist nicht wirklich neugierig. Sowohl Kanzler Gerhard Schröder als auch Außenminister Joschka Fischer gingen in der Nacht zum Mittwoch ins Bett, statt wie viele andere Deutsche vor dem TV-Schirm das Abschneiden von John Kerry im Kampf mit Amtsinhaber Bush zu verfolgen – ein Indiz dafür, dass die wichtigsten Mitglieder der Bundesregierung dem Herausforderer keine allzu großen Chancen eingeräumt und mit überraschenden Nachrichten aus den USA nicht gerechnet hatten.

Die Koalition ist deshalb vorbereitet auf vier weitere Jahre mit einem Chef im Weißen Haus, den die meisten Deutschen am liebsten heute als morgen im Ruhestand gesehen hätten. Dass Berlin anders als die Regierungen mancher anderer Länder keine Präferenz für einen der Kandidaten erkennen ließ, hatte nicht nur taktische Gründe. Denn auch ein Sieg von Kerry hätte die deutsche Außenpolitik vor heikle Herausforderungen gestellt.

Weil der Demokrat versprochen hatte, auch im Irak-Konflikt eng mit Amerikas Verbündeten zusammenzuarbeiten, hätte ein Präsident Kerry auf die rot-grüne Koalition mehr Druck als Bush ausgeübt, sich auch militärisch im Irak zu engagieren. Zwar hatte die Bundesregierung dem Herausforderer rechtzeitig die Nachricht übermittelt, dass Berlin sich einem solchen Wunsch eisern verweigern werde. Doch wäre es nicht einfach geworden, einem moralisch gestärkten Chef in Washington die Bitte nach militärischer oder finanzieller Hilfe abzuschlagen.

Kenner der amerikanischen Verhältnisse wie der Chef der Stiftung Wissenschaft und Politik, Christoph Bertram, erwarten nun, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit eine andere Außenpolitik betreiben wird als in der ersten Wahlperiode. Weil Berlin auf eine solche Entwicklung hofft, dürfte der diplomatiische Ton gegenüber Washington zunächst noch konzilianter werden als bisher. Doch offenbar gehen in der Bundesregierung die Meinungen darüber auseinander, wie sehr sich „Bush II“ von „Bush I“ unterscheiden wird. Schließlich hat sich der Präsident in deutschen Augen bislang als Politiker erwiesen, dem ideologische Vorstellungen von der Ordnung der Welt wichtiger sind als eine nüchterne Abwägung der Folgen brisanter Entscheidungen. Im Regierungslager wird auch genau registriert, dass die große republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat dem neuen und alten Präsidenten weiten Handlungsspielraum eröffnet, der innenpolitische Rücksichten bei weltpolitischen Weichenstellungen kaum nötig macht.Hinweise darauf, ob Washington einen Neuanfang im Umgang mit den Verbündeten plant, erhofft sich die Koalition von der Entscheidung, wer neuer US-Außenminister wird.

Das persönliche Verhältnis von Schröder zu Bush ist kaum mehr reparabel. Doch gilt das Arbeitsverhältnis beider Regierungen in Berlin als belastbar und produktiv. Auch schätzt Bush inzwischen offenbar die vermittelnde deutsche Haltung im Umgang mit dem Irak sowie den deutschen Beitrag im Antiterror-Kampf und beim Wiederaufbau Afghanistans. Große Befürchtungen gibt es allerdings, dass der Wahlsieger im Verhältnis zum Iran und dessen Nuklearprogramm auf absolute Härte dringen wird oder gar selbst Luftangriffe auf die Atomanlagen der der Teheraner Regierung anordnen könnte.

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