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Politik: Hoffen auf eine gute Wahl

Aus Sicht der USA müssen die Palästinenser über einen neuen Präsidenten abstimmen

„So lange diese Person an der Macht bleibt, ändert sich nichts.“ Das haben Israel und die USA über Jassir Arafat und den Friedensprozess im Nahen Osten gesagt. Politologen folgern daraus: Ohne Arafat ändert sich die Lage, der Friedensprozess wird wiederbelebt. Doch Logiker warnen: Diese Ableitung ist vorschnell und nicht zwingend. Die Situation kann aus anderen Gründen verfahren bleiben. Falls sich selbst ohne Arafat nichts ändern sollte, widerspräche das nicht der israelischen und amerikanischen Position.

Arafat ist todkrank, das Ende einer Ära naht: Davon geht die US-Regierung aus. Erste Hoffnungen keimen. Der Wahlkampf ist vorbei, George W. Bush im Amt bestätigt, kein Wechsel lähmt Washington, überdies muss Bush keine taktischen Rücksichten mehr nehmen. Zur Wiederwahl steht er nicht wieder an. Er könnte es sich leisten, die prozionistischen Evangelikalen zu verprellen sowie die Groß-Israel-Fraktion unter den amerikanischen Juden.

Überdies drängt ihn nicht nur sein Freund, der britische Premier Tony Blair, dem Frieden im Nahen Osten höchste Priorität zu geben. Dasselbe erwarten auch jene Verbündete, die sich wegen des Irakkriegs von der US-Regierung entfremdet hatten. Zu ihnen will Bush neue Brücken schlagen. Und zuletzt ließe sich mit einer neuen amerikanischen Nahost-Initiative auch der Image-Schaden beheben, den Amerika in der arabischen Welt erlitten hat. Wenn nicht jetzt, wann dann? Waren die Aussichten jemals günstiger?

Doch wer auf große Gesten und spektakuläre Durchbrüche hofft, dürfte bald enttäuscht sein. Sollte Arafat sterben, entsteht ein Machtvakuum. Wer folgt dem Symbol der palästinensischen Befreiungssehnsucht nach? Im Gespräch sind zwei Moderate, Ahmed Kurei und Mahmud Abbas. Aus Angst vor einem Bürgerkrieg könnten die radikalen Kräfte, besonders Hamas, zunächst stillhalten. Ernsthaft verhandeln aber lässt sich nur mit einer neuen Führung, die demokratisch legitimiert ist. Das hat Dennis Ross, der Nahost-Sondergesandte unter Bill Clinton, am Freitag in der „Washington Post“ betont. Das palästinensische Volk muss bestimmen, wer Arafats Nachfolge übernimmt. Sonst fehlt der neuen Führung das Mandat für Kompromisse.

Was also kann die US-Regierung nach einem Ableben Arafats tun? Zunächst wenig. Bush ist unter Palästinensern sehr unpopulär. Er muss zur neuen Führung einen gewissen Abstand wahren. Kein möglicher Arafat-Nachfolger kann es sich leisten, von Bush umarmt zu werden. Das Weiße Haus könnte auf Wahlen drängen und nach Kräften dabei helfen, diese zu organisieren. Auch Israel muss die Bedingungen für Wahlen schaffen – oder von der US-Regierung dazu gedrängt werden.

Wenn Arafat stirbt, wird allerdings eine lange, turbulente Zeit verstreichen, bevor mit einer Nachfolgeregierung gesprochen werden kann. Überdies ist Bush nicht aus taktischen Gründen ein Freund Israels. Er hat eine tiefe emotionale Bindung zu dem Land. Die speist sich auch aus dem Gefühl, Israel und die USA seien vom Terror vorrangig bedroht. Das schweißt zusammen. Bushs Vater hat Anfang der neunziger Jahre keine Skrupel gehabt, Jerusalem unter Druck zu setzen. Ähnliches vom Sohn zu erwarten, der entscheidend vom 11. September geprägt wurde, wäre kühn.

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