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Politik: Hoffnung in Trümmern

Brasilien wollte mit seiner günstig gelegenen Raketenbasis Millionen verdienen – nach dem Unglück steht das Projekt auf der Kippe

Von Andrea Ebert,

Rio de Janeiro

Die Explosion einer brasilianischen Trägerrakete ist ein Schock für die Regierung von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Denn neben den 21 Toten, könnte das astronomisch teure Raumfahrtprogramm des südamerikanischen Landes ein weiteres Opfer werden.

Die Hunderte von Metern hohen Rauchschwaden über dem Weltraumhafen Alcantara in Nordost-Brasilien waren kaum abgezogen nach der Katastrophe am Freitag, als Lula sein Bedauern über den Tod der Arbeiter in Alcantara mitteilen ließ. Allerdings nicht ohne hinzuzufügen, dass die Regierung willens sei, mit Brasiliens Weltraum Programm fortzufahren. Eigenständige Raumfahrt-Technologie zu erringen sei ein „wichtiges wissenschaftliches und technologisches Projekt“, so Lula.

Ob sich das hoch verschuldete Land allerdings weiterhin teure Weltraum-Technik leisten kann, ist ungewiss. Während die Rettungsteams noch dabei sind, die Toten zu bergen, informierte Brasiliens Weltraumbehörde AEB bereits, dass mit der Explosion durch ein versehentlich gezündetes Triebwerk auch fast elf Millionen Euro vernichtet wurden. Unweigerlich werden nun Fragen auftauchen, ob Brasilien mit seinem ehrgeizigen Raumfahrtprogramm nicht technisch überfordert ist. In den vergangenen sechs Jahren sind bereits die zwei Vorgänger der jetzt explodierten VSL-1-Rakete nach technischen Fehlern verunfallt.

Ein Plus für Brasilien ist allerdings, dass der 1500 Kilometer nördlich von Brasilia gelegene Weltraumhafen wesentlich billigere Raketen-Starts erlaubt, als vergleichbare Basen in anderen Regionen der Welt. Die Nähe zum Äquator und die dort beschleunigte Erdumdrehung ermöglicht es, Raketen mit bis zu 13 Prozent weniger Treibstoff in ihre Umlaufbahn zu schießen. Mit dem Standortvorteil will die Regierung ausländische Raumprojekte anlocken und so ihr Finanzproblem lösen. Mit der Ukraine steht Brasilien bereits kurz vor dem Abschluss eines Abkommens zur Nutzung von Alcantara. Eine erste Ziklon-4-Rakete der ehemaligen sowjetischen Raumtechnologiefirma Yuzmasch soll bis 2006 von brasilianischem Boden starten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Ukraine nach der Explosion vom Freitag weiterhin an dem Kooperationsabkommen interessiert ist.

Ein Weltraum-Abkommen mit den USA ist vorerst gescheitert. Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso hatte eine Art Leasing-Vertrag mit den Nordamerikanern ausgehandelt, dem zufolge die USA Brasilien für die Nutzung seines Weltraumhafens 30 Millionen Dollar im Jahr zahlen gezahlt hätten. Die US-Regierung setzte eine Klausel durch, die jegliche Transfers von US-Raumfahrt-Technologie an Brasilien unterbindet. Zudem sollten brasilianische Techniker den US-Starts fernbleiben.

Brasiliens Kongress hat das Abkommen bisher jedoch nicht ratifiziert. Viele Abgeordnete, vor allem von Lulas Arbeiterpartei PT, sehen darin einen Verlust nationaler Souveränität. Brasiliens Technologieminister Roberto Amaral fordert Nachverhandlungen.

Andrea Ebert[Rio de Janeiro]

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