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Politik: Holocaust: Ratzinger räumt Versagen der Kirchen ein

Kardinal Ratzinger, Chef der Glaubenskongregation und oberster Hüter katholischer Doktrin, hat in einem Artikel mit dem Titel "Das Erbe Abrahams, ein Geschenk zu Weihnachten" ein beträchtliches Versagen der katholischen Christen gegenüber dem Nazismus und während des Holocaust eingeräumt. "Man kann nicht leugnen", schreibt er im "Osservatore Romano", dem Sprachrohr des Heiligen Stuhls, "dass der in gewissem Maße ungenügende Widerstand der Christen gegen jene Gräuel mit dem in der Seele nicht weniger Christen vorhandenen antihebräischen Erbe zu erklären ist.

Kardinal Ratzinger, Chef der Glaubenskongregation und oberster Hüter katholischer Doktrin, hat in einem Artikel mit dem Titel "Das Erbe Abrahams, ein Geschenk zu Weihnachten" ein beträchtliches Versagen der katholischen Christen gegenüber dem Nazismus und während des Holocaust eingeräumt. "Man kann nicht leugnen", schreibt er im "Osservatore Romano", dem Sprachrohr des Heiligen Stuhls, "dass der in gewissem Maße ungenügende Widerstand der Christen gegen jene Gräuel mit dem in der Seele nicht weniger Christen vorhandenen antihebräischen Erbe zu erklären ist." Das Eingeständnis gilt bei vielen Beobachtern für ebenso wichtig wie die vom Papst im Heiligen Jahr selbst immer wiederholten Entschuldigungen bei den von der Kirche Verfolgten - gibt doch damit der härteste Hort des Konservativismus in der römischen Kurie seine Querschüsse gegen die Versöhnungsgesten von Johannes Paul II. auf. Noch vor wenigen Monaten hatte Ratzinger mit einem Rundbrief "Dominus Jesus" bei anderen Religionen und Konfessionen Unwillen erregt, weil er erneut die katholische Kirche als die "Mutter aller Religionen" und nur den Weg über sie als letztlich Heil bringend dargestellt hat. Noch nie zuvor hat er ausdrücklich zum Holocaust Stellung genommen.

Vartikanexperten sehen zwei mögliche Gründe für die überraschende "Selbstkritik" ("la Repubblica"). Möglicherweise wollte Ratzinger dem für die nächsten Wochen angekündigten - allen Indiskretionen zufolge verheerenden - Urteil einer Kommission über das Verhalten von Pius XII. gegenüber den Nazis zuvorkommen. Andere Beobachter vermuten dagegen, dass der Artikel das baldige Ausscheiden des Deutschen aus der Kurie ankündigt: Schon seit langem wird dem 73-jährigen Ratzinger Amtsmüdigkeit nachgesagt. Hoffnung auf eine Nachfolge Wojtylas auf dem Stuhl Petri hat er keine. Auch möglich, dass ihm der Papst, schon länger auf Abstand zu seinem störrischen Glaubenshüter, den Weihnachtsartikel als Voraussetzung für die erhoffte Entlassung auferlegt hat.

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